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jedoch nach Vergleichung vieler Hundert Gewebe mit den oben
angedeuteten retournirenden Dessins von der eben beschriebenen
Auffassung und Stylisirung gaben wir in etwa zu , dass eine
symbolische Grundidee in diesen Stoffen sich wohl durchspielen
könne. Zur leichtern Veranschaulichung des eben Angedeuteten
mögen hier einige in unserm Privatbesitz vorfindliche schwere
Damastgewebe eine kurze Beschreibung finden.
Tafel XVII gibt die gelungene Abbildung eines schönen Ge-
webes in weissem Seidendamast zu erkennen, das wir in Siena unter
werthlosen Stoffen der Renaissance anzukaufen Gelegenheit hatten. In
reichen Goldbrochirungen verästelt sich durch das ganze Gewebe
netzförmig ein Ornament, zusammenhängende hexagone Figuren bil-
dend, die jedesmal eine von Blüthen und schön stylisirtem Laub-
werk umgebene Fruchtcapsel einfassen. Diese, der Melone oder
Annanas nicht unähnliche Fruchtbildung, ebenfalls in Gold bro-
chirt , umgibt eine siebenblätterige Rose, die auf der Abbildung
durch einen dunkelern gelblichen Farbton angedeutet ist. Nach
den vielen Analogien ähnlicher Stoffe, die wir in den verschiede-
nen Sacristeien Italiens , bei einem längern Aufenthalte daselbst.
zu sehen Gelegenheit hatten, halten wir dieses reich Ornamen-
tirte Damastgewvebe als ein ausgezeichnetes Product der italiäni-
schon Seidenmanufactur aus der letzten Hälfte des XV. Jahr-
hunderts.
Noch fügen wir hinzu, dass der Goldfaden in diesem Stoffe
nicht mehr auf die ältere im Vorhergehenden bezeichnete Weise
präparirt ist, sondern dass er entstand durch Umspinnung eines
gelben Seidenfadens mit einem zarten vergoldeten Silberdraht.
Ein nicht weniger interessantes Damastgewvebe, nicht nur al-
lein in Bezug auf Farbe und Textur, sondern vorzugsweise auch
rücksichtlich der Composition des gefälligen Dessins zeigt 'l'afel
XIX, Der Fond des delicaten Stoffes, der durch die Kette ge-
bildet wird, ist hellblau; die Dessins sind durch den Einschlag
in gelber Farbe hervorgebracht.
Die Frucht. des „pomn1es dlamour" wenn man sie nun einmal
als solche betrachten will, wird von einem reichen Blüthenkranz umge-
ben. Dieses immer retournirende Hauptmotiv umgibt einer Art von Dor-
nengeflecht; hieran schliesst sich wieder wie auch auf Abbildung
XVII eine grössere, das Ganze contourirende siebenblätterige Rose,
die oben von einer Krone überragt wird. Dieses Motiv setzt sich
nach gleichen Zwischenräumen fast streifenförmig geordnet fort.
Zwischen diesen parallel fortlaufenden Rosen zeigt sich ein Flecht-