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Einfachheit der Lebensweise, in Sitten und Gebräuchen nach und
nach verschwunden und eine Sucht nach Aufwand und Prunk in
der Kleidung und häuslichen Einrichtung war nicht nur beim ho-
hen und niedern Adel, sondern auch beiden Patriciern, dem Kauf-
manne und dem nur ziemlich begüterten Bürger in einer Weise
eingerissen, dass sich die deutschen Kaiser und Fürsten und Städte
zu mehrern Malen in damaliger Zeit veranlasst sahen, in scharfen
Edicten dieser überhandnehmenden Ueppigkeit durch bestimmte
Kleiderordnungen entgegen zu treten. 1) Ausser diesen KleiderortL
nungen beweisen die nur zu begründeten Klagen damaliger Schrift-
steller, wie sehr die Kleiderpracht bei Hoch und Nieder um sich
gerissen hatte und wie gross der-Verbrauch von Seidenstoffen damals
gewesen sein musste. So äussert sich inbittern Worten ein Schrift-
steller damaliger Zeit: „die Edelleute stecken vollständig in Gold
und Silber, in Sammet und Seide, Satin und Talletas; ihre Müh-
len, Wiesen, Aeeker und Holzungen, kurz, ihr Einkommen ver-
schwenden sie in Anschaffung von Kleidungsstücken , wovon die
äussere luxuriöse Ausstattung oft noch den Preis der Stoffe be-
deutend übersteigt durch die Stickereien, Schnüre, Borden, Quas-
ten, Ketten und Fransen etc., Womit dieselben überladen sind.
Um sich von dem Reichthum, der Pracht und Kostbarkeit der
Kleidung gegen Schluss des Mittelalters eine Vorstellung zu ma-
chen, durehblättere man die schätzbaren WVerke des Professors
Dr. von Hefner Alteneck?) und besonders die vielen reich il-
luminirten Abbildungen und man wird sich überzeugen, dass nicht
nur zu dem faltenreiehen Costüm der Ritter und ihrer Frauen eine
Menge golddurchwirkter und gestickter Seidenstoffe erforderlich
war, sondern dass auch der stattliche Anzug der Pagen und der
Lakeien, so wie der oft versclnvenderische Behang der Turnier-
rosse grosse Auslagen für Seidengewebe erheischten. Es kann uns
übrigens nicht wundern, dass trotz der verschärften Kleiderord-
nungen, 3) in Deutschland und Frankreich die Prunksucht in der
Kleidung immer weiter um sich griff, da ja selbst die Höfe mei-
stens den Adel und den Bürger in Ueppigkeit und Verschwen-
dung mit Bezug auf Kleidung weit hinter sich liessen.
Vgl. das Nähere über „Prachtgesetzc und Kleidcrorrlnungen" in der Chronik
i? Gold- und. Silberschmiedekunst von A. Bcrlepsch, St. Gallen, von Seite
-53.
Unter andern erschienen von dem genannten Verfasser: Trachten des christ-
lichen Mittelalters nach gleichzeitigen Kunstdenkrnalen; vgl. ferner von dem-
selben Schriftsteller: Hanne Burkmaiefs Turnierbuch mit trefflichen Illustrationen.
Vgl- den Art. 100 der Ordonnanz von Orleans aus dem Jahre 1560-