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Eigenthum der Kirche durch die B'1'eil1eitsn1ännel' für vogelfrei er-
klärt wurde.
Wer vermag es anzugeben, wie viele Tausend kunsthistori-
scher Prachtgewänder, ehrwürdig durch ihr Alter und hervorra-
gend durch den seltenen Kunstwerth der darauf befindlichen merk-
würdigen Stickereien, im Anfange unseres "Jahrhunderts der Auf-
klärung" aufgeopfert worden sind dem puren Üngeschmack und
der krassen Gewinnsucht. In einem spätern Capitel wird sich
Gelegenheit bieten auf diese zuletzt angeregte Frage weiter einzu-
gehen, zugleich werden wir dann auch den Nachweis geben , wo
noch ehrwürdige Ueberbleibsel jener altern Periode der Seiden-
weberei an kirchlichen Ornaten sich erhalten haben.
DIE
SEIDENMANUFACTUR
UND
AUSSERHALB
ITALIEN S
UND
IHRE
ANWVENDUNG
ZU
KULT-
ZYVECKEN.
UND
XVI.
J AHRHUNDERT.
Die Kunst ist von jeher im Gefolge des Friedens einherge-
zogen; sobald aber der Krieg seine eiserne vernichtende Hand
über ein Land ausstreckte, zog Kunstfleiss und Industrie und mit
ihnen der Wohlstand über die Grenze, um sich eine_ neue ruhigere
Hcimath zu suchen.
WVir haben im vorhergehenden Abschnitte gesehen, wie unun-
terbrochene bürgerliche Zwistigkeiten Ursache Waren, dass zum
Schlusse des XIII. Jahrhunderts die gewerblleissigen Lucehesen
ihre Vaterstadt in Menge verliessen und sich in den übrigen grüssern
F reistädten des nördlichen Italiens mit. ihrem einträglichen Kunstge-
werke niederliessen. Da aber der schöne Norden Italiens im Mit-
telalter fast beständig der Schauplatz blutiger innerer und äusserer
Fehden War, so scheinen der Wanderungslustige Lombarde und
der gewinnsüchtige Genuese, beide im Besitze eines äusserst lu-
erativen und vom Auslande sehr gesuchten Kunsthandwerkes,
schon im XIV. Jahrhundert ihrem Vaterlande den Rücken für im-
mer gewandt zu haben.
Das südliche Frankreich, Flandern und auch die Schweiz bot
den einzelnen Auswanderer-n , die später grössere Zuzüge an sich
zogen, gerne ein angenehmes Asyl, damit die gevverbfleissigen
Fremden jene Industrie im eigenen Lande heimisch machten, welche