Die
Maler
Zeit
Krieges.
peloponnesischen
des
sich mit einer mehr allgemeinen oder generischen Auffassung begnügen. Gerade
das Umgekehrte ist bei Parrhasios der Fall. Das Streben, den Ausdruck bis
in seine feinsten und flüchtigsten Aeusserungen zu verfolgen, musste in der
Charakteristik dem Individuellen eine viel weiter greifende Berücksichtigung
sichern, als es dieselbe nicht nur bei Zeuxis, sondern überhaupt bisher gefun-
den hatte. In Folge davon konnte aber die durch äussere Umstände geschaffene
Situation nicht mehr einen überwiegenden Einfluss auf die handelnde Persön-
lichkeit ausüben, sondern die Handlung musste durch die Individualität der
Letzteren bedingt und selbst als durchaus individuell erscheinen.
Trotz dieses Gegensatzes müssen wir aber zugestehen, dass im Verhältniss
zu Polygnot und seiner Kunstrichtung Parrhasios und Zeuxis in ihren Bestre-
laungen manches Gemeinsame haben. Die hervorragende Stellung, welche wir
dem Polygnot anzuweisen nicht umhin konnten, beruhte auf der Anerkennung
des durchaus idealen Grundzuges, welcher seiner Kunst eigenthümlich ist. Diese
ldealität war aber von der besondern Kunstgattung fast gänzlich unabhängig;
ja man könnte behaupten, dass jenes reine und directe Idealisiren jedes ein-
zelnen Charakters noch mehr der Plastik zukomme, als der Malerei, welche eine
gewissermassen indirecte Idealität durch das Zusammenwirken einer Mannig-
faltigkeit von Dingen und Personen zu erstreben habe. Auf keinen Fall wird
es Widerspruch erregen, wenn wir Polygnot gross und gewaltig nicht sowohl
speciell als Maler, sondern als Künstler überhaupt nennen, indem bei ihm die
relativ noch wenig ausgebildeten Mittel der Darstellung gegen die Bedeutung
des poetisch-ktinstlerischen Schaffens durchaus zurücktreten. Gerade das aber
ist der Punkt, durch welchen Zeuxis und Parrhasios in einen entschiedenen
Gegensatz zu Polygnot treten. Sie sind vor Allem Maler, und ihr Ruhm beruht
zunächst auf dem, was sie verrnöge der Mittel dieser besondern Kunst geleistet 117
haben, wenn auch nach sehr verschiedenen Seiten hin. Es liegt im Wesen der
Malerei, dass sie nicht die Dinge selbst als Körper, sondern nur den Schein der
Dinge zur Darstellung zu bringen vermag. Dieser Schein aber wird für den
äusseren Sinn durch die Wirkung: von Licht und Schatten hervorgebracht, in-
dem dadurch eines Theils die Farbe, andern Theils die Beschaffenheit der Form
wahrnehmbar wird. Auf je eine dieser beiden Seiten richteten die Nachfolger
des Polygnot ihre vorwiegende Aufmerksamkeit, und im Hinblick hierauf können
wir sagen, dass durch sie die eigentliche Malerei überhaupt erst ihre selb-
ständige Ausbildung erhalten habe. Wenn hiernach die äussere Erscheinung
der Dinge den Ausgangspunkt ihrer Thatigkeit bildete, so war doch die Dar-
stellung derselben nicht für sich selbst und allein Zweck, Wohl aber bedingte
sie die gesammte Auffassung auch in Hinsicht auf den geistigen Theil der zu
lösenden Aufgaben. So wählt Zeuxis, da die Farbe nach Gesammtwirkung
streben muss, mit Vorliebe solche Stoffe zur Darstellung, Welchg schon durch
eine passende Zusammenstellung oder durch geschickte Wahl des Moments oder
der Situationen, also durch die Anlage des Werkes in seiner Gesammtheit, das
Interesse des Beschauers zu fesseln vermögen. Wie dagegen die vollendete Dar-
stellung der Form ein Eingehen in die feinsten Gliederungen und Einzelnheiten
verlangt, die höchsten, in den flüchtigsten Mienen und Bewegungen sich aus-
sprechenden Feinheiten aber im Grunde noch mehr geistige als formelle Be-