Wirkliche
angebliche
lschneider
(iennneni11schriften.
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ist mindestens sehr unglücklich gewählt. Die Kugeln treten allerdings bei der
Untersuchung mit gewaffnetem Auge sehr deutlich und bestimmt hervor; mit
blossem Auge betrachtet, erscheinen sie dagegen so Wenig "unverhältnissmässig
gross", dass sie vielmehr fast gänzlich verschwinden und die Inschrift im Ganzen
den Eindruck grosser Eleganz gewährt. Wie wenig endlich ein schlagender
Grund vorliegt, die Inschrift der Gemme durch die des Grabsteins zu verdäch-
tigen, ist schon oben durch die Hinweisung auf die Art der Aeusserungen Ve-
nuti's und selbst Vettori's angedeutet worden.
Tölken unternimmt es nun zunächst, das Bildniss als das des Sextus
Pompeius durch die Vergleichung mit einem seltenen Aureus zu rechtfertigen,
auf dem man früher Pompeius den Vater zu sehen glaubte. Ausserdem aber
entspreche es in seiner seelen- und lebensvollen Behandlung so sehr dem, was 542
wir von dem Charakter, den Tugenden und Fehlern des Sextus wissen, dass
es nur nach dem Leben modcllirt sein könne: ein Fälscher könnte eben so gut
den ganzen Menschen als dieses Abbild erdichten. „Es trägt für jeden Kun-
digen seine Beglaubigung in sich, was selbst Raspe bekennt, indem er es „„des
Zeitalters des Augustus würdigt" erklärt." Was ferner die äussere Be-
glaubigung des Werkes anlangt, so bemerkt auch Tölken, dass die Verdächti-
gung eigentlich nur auf Vettorfs noch möglichst vorsichtig ausgedrücktem Ur-
theil beruhe: Vettorfs, den Köhler selbst wiederholt mit den härtesten Worten
für einen Betrüger erkläre. Ausführlich wird sodann die Schreibung des Na-
mens mit NI' gerechtfertigt: „Schon Winckelmann beruft sich auf das Vor-
kommen derselben Abweichung in unzweifelhaft antiken Steinschriften, besonders
auf die von Gruter (Index gramm. lit. N) beigebrachten Beispiele, und dass nach
dem Zeugniss des Stephanus (Paralip. gramm. gr. p. 7 et 8) gerade das Wort
angelus, ciyysÄug, sich in den Handschriften häufig ny buchstabirt finde, ohne
Zweifel, weil es so ganz in die lateinische Sprache übergegangen war, dass der
eigenthümliche griechische Laut des yy sich ganz daraus verloren hatte. f"
Andere Beispiele werden aus Franz Elem. epigr. gr. angeführt: ENKAIPOE,
ENFPAIIÄIII (S. 49), dann namentlich AjvfjjAljjj, EHHNFQAIA] (S. 232)
gerade aus der Zeit des Pompeius; ferner aus (iuasco Mus. Cap. III, n. 1276:
1284-: A12? YÄNKPITCO; dazu endlich eine Münze von Ilion mit
ANXEIIÄPIE, Mionnet ll, p. 6611-, n. 228. „Ist es zu verwundern, dass zu Rom
in einem Privatdenkmal dieselbe Verwechselung vorkommt? Ist nicht vielmehr
gerade diese Abweichung ein neuer Beweis für die Echtheit der Inschrift? Kein
Fälscher hätte wahrlich einen so leicht zu vermeidenden Fehler gemacht."
Wenn demnach für die Annahme der Unechtheit des Steines und der In-
schrift kein zwingender Grund vorliegt (denn auch Stephanfs Bemerkungen
über den Styl beruhen doch zunächst auf dessen subjectiver Anschauung), frei-
lich aber auch für die Echtheit kein äusserer thatsächlicher Beweis geliefert
werden konnte, so bleibt bloss noch ein Wort über die Bedeutung der Inschrift
Zu sagen übrig. Tölken nämlich bemerkt: „Die Stelle, welche der Name, 543
zum Siegeln unter dem Bilde rückläufig geschrieben, einnimmt, bürgt dafür,
dass hier nicht der Künstler, sondern derjenige gemeint ist, der dasselbe als
theures Andenken bei sich trug. Ja die Vermuthung, dass dies eben jener
Agathangelus sei, dessen der gleichzeitig gefundene Grabstein gedenkt, liegt so
Brunn, Geschichte der griechischen Künstler. II. 2. Aufl. 2-1: