IXIaler.
näher zu charakterisiren versucht, wenn er auch dabei über eine allgemeine
Bezeichnung der Stellungen und des Ausdrucks selten hinausgeht.
1-37 Die Gegenstände seiner Darstellung schöpfte Polygnot, vwie auch Pausa-
nias mehrfach andeutet, aus der epischen Dichtung der Hellenen. Dieser Satz
ist jedoch keinesweges so zu verstehen, dass eines seiner Gemälde nur gewisser-
massen eine bildliche Erläuterung zu einem bestimmten epischen Gedichte ge-
bildet habe; sondern er nahm nur den Stoff daher, verarbeitete ihn aber in
durchaus selbständiger Weise. Diese YVeise selbst können wir jedoch nicht
umhin wiederum als eine epische zu bezeichnen. Dem wahren Epos fehlt ge-
wiss die poetische Einheit so wenig, wie dem Drama; aber während in diesem
die ganze Entwickelung sich streng um eine einzelne Handlung bewegt, ergiebt
sich dort die Einheit erst aus einer Reihe von Begebenheiten, deren manche
neben ihrer mehr allgemeinen Beziehung auf die einheitliche Grundidee auch
eine gewisse Selbständigkeit für sich bewahren. Die Kunst der Anlage wird
sich aber besonders darin zeigen, dass diese Episoden stets für das Ganze be-
deutsam ausgewählt sein müssen. So ist es in den Gemälden des Polygnot,
und nur darin unterscheidet sich der Maler vom Dichter, dass er, weil sich sein
ganzes Werk nicht in einer Zeitfolge, sondern gleichzeitig dem Sinne des Be-
schauers darstellt, nun auch die Einheit der Zeit in demselben festgehalten
hat. Mit besonderer Klarheit ist dies von Welcker für das Bild von Ilions Zer-
störung nachgewiesen worden, indem er als das Grundthema die Zerstörung im
Momente ihrer Vollendung hinstellt. „Zu gleicher Zeit schwört Aias, bricht
Epeios den Rest der Mauer ab, mordet Neoptolemos und bricht Nestor auf, stehen
die Troerinnen Todesangst aus und jammern als Gefangene, schlafen die Ilier
den Todesschlaf und werden begraben und wird Helena bewundert und um
Freilassung der Aethra gebeten, rüsten die Schiffsleute und Knechte des Mene-
laos und Familie und Gesinde des Antenor den Abzugtt (S. 27). Diese Reihe
einzelner Scenen ordnet sich aber der ursprünglichen Raumeintheilung ent-
sprechend auf das Uebersichtlichste und Klarste. Wir erblicken im Gentrum
den letzten gemeinsamen Act der Achäer, zu beiden Seiten den Zustand, welcher
im Lager und welcher in der Stadt durch die Entscheidung des Krieges einge-
treten ist, endlich an beiden Enden den Abzug, hier freudig, dort trauervoll.
38 Von der Mitte aus nimmt das Ergreifende und Gewaltige der Gegenstände nach
beiden Seiten hin gleichmässig ab, wie in einer Trilogie des Aeschylos (S. 25).
In solcher Schärfe, wie hier, lässt sich allerdings für das Gemälde der
Unterwelt ein streng einheitlicher Grundgedanke nicht nachweisen. Es konnte
schon der Sache nach nicht sowohl eine Folge von Handlungen, als ein Bild
des Zustandes der Schatten uns vor Augen geführt werden. Doch ist auch
hier dieses allgemeine Thema in sehr bestimmter Weise zusammengezogen
und begrenzt. Odysseus ist herabgestiegen zu den Schatten: und obwohl er
keineswegs der Mittelpunkt des Ganzen ist, so ist doch dadurch nicht nur ein
bestimmter Zeitpunkt gewonnen, sondern es muss deshalb auch die Beziehung
auf die Helden des troischen Krieges in den Mittelpunkt treten. Und in der
That gerade im Centrum erscheint als König der Schatten Achilleus, des Neo-
ptolemos Vater, über dessen Grabe die ganze Lesche errichtet ist. Wie um
ihn seine Freunde vereint sind, so hat die gemeinsame Feindschaft gegen Odys-