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war Vorzugsweise, vielleicht ausschliesslich darauf angewiesen, architektonische
Räume zu schmücken; und es darf daher die Frage nicht unberührt bleiben:
in welchem Verhältnisse sie zu den dadurch bedingten Forderungen steht.
34 Leider kann sie nur eine ungenügende Beantwortung erhalten, da nicht nur
kein einziges Werk erhalten ist, sondern wir nicht einmal über den Raum. in
welchem sich irgend eines derselben befand, genauer unterrichtet sind. Als ein
Princip jeder guten Composition werden wir indessen die Forderung des Gleich-
gewichtes hinstellen, welches sich häufig schon äusserlich durch einen Paralle-
lismus der sich gegenüberstehenden Glieder bethätigen wird. Dass Polygnot
sich diesen Forderungen nicht entzog, lehrt zunächst jene kleinere Reihe von
Compositionen, welche offenbar mit bestimmter Rücksicht auf dieselben zusam-
mengeordnet sind, nemlich die Bilder in der Pinakothek der Propyläen zu Athen:
Odysseus, der den Bogen des Philoktet, und Diomedes, der das Palladium raubt;
der Mord des Aegisthos und die Opferung der Polyxena; Achill unter den Töch-
tern des Lykomedes, und Odysseus unter den Begleiterinnen der Nausikaa er-
scheinen für Jeden, der mit den Bildwerken einigermassen vertraut ist, in so
schlagender Weise als drei Paare von Gegenstücken, dass wir kühn voraus-
setzen dürfen, diese Entsprechung sei auch noch weiter bis in Einzelnes durcl1-
geführt gewesen. Noch wichtiger für unsre Kenntniss auch in dieser Beziehung
sind aber die Gemälde in der Lesche zu Delphi. Freilich geht Pausanias über
die hier in Betracht kommenden Fragen stillschweigend hinweg. Aber die Ge-
nauigkeit seiner Beschreibung macht es möglich, diesen Mangel einigermassen
zu ergänzen; was auch in der That in der letzten Zeit mehrfach versucht wor-
den ist. Auf diese Weise ist es namentlich durch die Untersuchungen Welckefs
ausser Zweifel gesetzt worden, dass in der Raumabtheilung eine grosse Regel-
mässigkeit herrscht. Deutlich tritt die Mittelgruppe hervor: eben so deutlich
ergeben sich die beiden Endgrujapen; zwischen diesen und der Mittelgrujope
lagen je zwei Hauptmassen, so dass sich also die ganze Composition jedes der
beiden Bilder der Breite nach in sieben Abtheilungen zerlegt, deren je zwei,
zu beiden Seiten der mittleren, zu einander in einem entsprechenden Verhält-
nisse stehen. Schon mit diesem allgemeinen Resultate könnte man sich ge-
nügen lassen, indem man voraussetzen dürfte, dass in dem Urbilde sich noch
viele Einzelheiten strenger dem Grundplane entsprechend gezeigt haben würden,
35 als es sich bei der Mangelhaftigkeit unserer Kenntniss nachweisen liesse. Eigene
Studien haben mich indessen überzeugt, dass trotz dieser Mangelhaftigkeit das
von Welcker aufgestellte Grundprincip sich noch in weit strengerer Weise durch-
führen lässt. Dies hier zu thun, würde theils zu viel Raum erfordern, theils
ohne eine nochmalige künstlerische Reproduction nur einen halben Nutzen ge-
währen. Nur einige Winke über die zu befolgende Methode und dieudaraus
sich ergebenden Resultate mögen daher hier Platz finden. Die Methode beruht
einfach auf der Annahme, dass die Anordnung der Figuren in-mehreren Ab-
stufungen über einander nicht in streng von einander getrennten Reihen, ge-
wissermassen Stockwerken, welche sich durch die ganze Breite des Bildes hin-
ziehen, durchgeführt werden darf, sondern dass sich diese Reihen durch Ver-
mittelungsglieder in auf- und absteigenden Linien unter einander verbinden.
Auf diesem Wege ergiebt- es sich, ohne dass es nöthig' wäre, dem Pausanias