Maler.
lässt uns das Lob, Welches Lucian1) den Augenbrauen der Kassandra des Po-
31 lygnot ertheilt, besonders auch auf eine Vollendung des geistigen Ausdruckes
schliessen. Denn mag auch ßörpgzinrv 1d änmperräg" vor allem durch grosse
Meisterschaft der Zeichnung, durch eine schön geschwungene Linie erreicht
worden sein, so ist doch die Schönheit derselben nur auf den Ausdruck der
Grösse und Würde berechnet. Weit stärker spricht sich ein späterer Epigram-
mendichter über den Ausdruck in den Augen der Polyxena des Polygnot aus:
in den Augenlidern der Jungfrau liege der ganze troische Krieg.
Doch ehe von dieser Höhe des Ausdruckes weiter gesprochen wird, ist
der wenigen Nachrichten zu gedenken, welche wir über die Färbung bei Po-
lygnot besitzen. Das spätere Alterthum scheint in ihr die schwächste Seite der
polygnotischen Kunst gesehen zu haben. Quintilian 2) wundert sich, wie der
Simplex color bei ihm und Aglaophon noch zu seiner Zeit Liebhaber finden
konnte. Auch Gicero 3) will Polygnot und die andern ältern Maler, welche nicht
mehr als vier Farben angewendet, nur wegen ihrer Formen und Zeichnung,
nicht wegen der Färbung loben. Und von einer nach Illusion strebenden Wir-
32 kung der Farbe finden wir allerdings bei Polygnot und seinen Zeitgenossen
keine Spur. Ueber das Technische der Farbenbehandlung sind wir leider fast
gar nicht unterrichtet; und wenn wir daher durch Plinius erfahren, dass P0-
lygnot und Mikon zuerst Oker (sil) und zwar attischen, angewandt 4), so wie,
dass sie Tryginon, eine schwarze Farbe aus Weinhefen bereitet 5), so vermögen
wir diese Angaben eben wegen ihrer Zusammenhangslosigkeit nicht zu wür-
digen. Eben so vereinzelt steht die Nachricht, dass Polygnot die Köpfe der
Frauen mit buntfarbigen Mützen (mitrae) bedeckte ü), wenn wir nicht daraus
abnehmen wollen, dass sich darin ein Streben nach einem grösseren Reichthume
der Farben ausspreche. Wichtiger schon ist es, wenn Lucian 7) an dem Bilde
der Kassandra das Geröthete der Wangen preist. Denn hier gewährt uns die
Vergleichung der tarquiniensischen Grabgemälde ein Mittel zu klarerem Ver-
ständniss. Auch sie sind ganz ohne Schattengebung mit einfachen Farben, wie
wir von den Gemälden des Polygnot voraussetzen müssen. Wenn wir nun trotz-
dem geröthete Wangen bei den Frauen finden, so müssen wir daraus schliessen,
dass es die Absicht des Künstlers war, nicht sowohl eine mehr oder weniger
vergängliche Farbenwirkung darzustellen, als vielmehr uns die Farbe der Wangen
als nothwendig ihnen anhaftend, auf ihrem eigenen Wesen beruhend zu zeigen.
In dieser Auffassung aber bestärken uns einige Angaben, welche Pausanias
mehr beiläufig bei der Beschreibung der delphischen Gemälde einfliessen lässt.
S0 macht er bei der Figur des Aias, Sohnes des Oileus, darauf aufmerksam,
dass man an dem Colorit den Schiffbrüchigen erkannte, auf dessen Haut der
Schmutz des Salzwassers noch zu kleben scheine S). Der Dämon der Verwesung,
Eurynomos, hatte eine Farbe zwischen schwarz und dunkelblau in der Mitte
stehend, wie dieSchmeissfliegen n). Tityos war geblildet schon ganz aufgerieben
von der beständigen Strafe, ärwöpdr xort oüöä öÄdxÄngov aiöcalov, ein abge-
1)
S) X, 31,
Gemälde
Imagg. 7. 2) XII, 10. 3) Brut. 18. 4) 38, 160.
1. 9) X, 28, 7. Ein ähnlicher Dämon VI, 6,
M011. ined. delP Inst. II, 5.
5) 35, 42.
11 und in
6) 35, 53. 7) Imagg. 7.
einem tarqulmensischen