Flinleitung.
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Im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts (1712) führte Baudelot de Dairval
zuerst in einem Briefe und später in einer Abhandlung die Hypothese des Her-
zogs von Orleans aus, dass der Name des Solon neben dem schon durch Ur-
sinus bekannten Kopfe nicht auf die dargestellte Person, sondern auf den
Künstler zu beziehen sei; und zu gleicher Zeit richtete sich auch in Italien die 461
Aufmerksamkeit auf Gemmen mit Künstlernamen. Eine grössere Zahl derselben
befand sich damals in den Händen des Florentiners Andreini vereinigt, der
wenigstens in Italien zuerst die Bedeutung dieser lnschriften erkannt hatte (Gori
Columb. libert. Liviae p. 154-). Von seinen elf bei Gori angeführten Steinen
sind allerdings wen einem abgesehen, der nicht weiter bekannt geworden ist)
nur fünf echt, und eben so-viele verdächtig. Aber wenn es hiernach sich schwer
entscheiden lässt, 0b Andreini selbst des Betruges anzuklagen ist oder 0b er
nur, namentlich durch den gleichzeitigen Steinschneider Flavio Sirleti, betrogen
ward, so steht doch jedenfalls fest, dass die Fälschung bereits begonnen hatte,
noch ehe das Werk von Stosch erschienen war, in dem zuerst die Gemmen mit
Künstlerinschriften aus den verschiedensten Sammlungen Europa's zusammen-
gestellt wurden (1721). Dass darin Echtes und Unechtes vielfach gemischt er-
scheint, kann uns bei dem damaligen Zustande der Kritik nicht Wunder neh-
men. Von diesem Zugeständniss ganz unabhängig ist aber die Frage, ob Stosch
selbst für die Existenz der unechten Steine verantwortlich zu machen, 0b die
Fälschungen als auf seinen Antrieb veranstaltet zu betrachten sind. Dass dies
der Fall sei, behauptet Kühler: ihm ist die einfache Thatsache, dass ein Stein
zuerst „zur Zeit des Stosch" bekannt wurde, Grund genug, seinen Ursprung zu
verdächtigen. Um ein möglichst unbefangenes Urtheil über diese Behauptung
zu gewinnen, wird es nicht überflüssig sein, eine einfache statistische Uebersicht
über das Stoschische Werk zu geben. Es enthält 70 Gemmenbilder auf eben
so vielen "Tafeln. 30 davon werden schon vor Stosch erwähnt 1). Mehrere an-
dere waren offenbar schon vor seiner Zeit in verschiedenen Sammlungen vor-
handen: 17, 57, 62 (Piombino, autrefois appartenant a la maison Buoncompagni);
60. 64- (feu senateur Gerretani); 25 (s. unter Dioskurides). Nicht verantwort-
lich ist Stosch zu machen für 46, 54-, 68 in Andreinfs Besitz. Eine Tafel, 48,
ist gegen des Herausgebers Willen in das Werk aufgenommen. Als echt, wenn
auch nicht als Gemmen mit Künstlernamen, bezeichnet Köhler selbst: 21, 4-4, 462
58, 69; Stephani vertheidigt ferner: 2, 18, 35, 43; ich selbst glaube ausserdem
als echt nachgewiesen zu haben: 1, 4, 19. Nach Abzug dieser 51 Nummern
bleiben also noch neunzehn mehr oder weniger verdächtige Steine übrig, von
denen wir durch Stosch zuerst Kunde erhalten. Sie vertheilen sich nach den
Sammlungen folgendermaassen:
1 in Paris: Stier des Hyllos, T. 40.
1 in Wien: Theseus des Philemon, T. 51.
3 in Florenz: Aesculap des Aspasios, T. 14; Reiter des Aulos, T. 15; zwei
Figuren auf einem Panther von Karpos, T. 22.
2 in Parma (Farnese): Perseus des Dioskurides, T. 30; Meerpferd von
Pharnakes, T. 50.
der
31,
Kürze wegen nur die Nummern der Tafeln: 3,
32, 33, 34, 37, 38, 39, 42, 45, 47, 49, 55,