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Genm
lenschneider
Politur wesentlich zu beeinträchtigen vermöge. Ihr Nichtvorhandensein würde
also die Neuheit des Steines beweisen; und liesse sich weiter darthun, dass sie
sich durch künstliche Mittel gar nicht oder nur in mangelhafter Weise (etwa
wie die Patina der Bronzen) herstellen liesse, so wäre dadurch das sicherste
Kriterium der Echtheit gewonnen. Mag aber auch die hier angedeutete Beob-
achtung geringere Bedeutung haben, als ich anzunehmen geneigt bin, so bleibt
die sorgfältigste Untersuchung der Steine selbst doch dasjenige, was bei dem
jetzigen Stande dieser ganzen Erörterungen am meisten noththut. Doch wird
es auch hier einer systematischen Betrachtung bedürfen, wenn eine über sub-
jective Ansichten hinausgehende Sicherheit des Urtheils erreicht werden soll.
Endlich vermag in einzelnen Fällen auch die Natur des Steines selbst
eine Entscheidung über die Echtheit herbeizuführen, indem einzelne Steinarten
den Alten noch gar nicht bekannt waren oder nur innerhalb gewisser Grenzen
angewendet wurden. Allerdings wird in der Praxis der Werth dieses Kriteriums
dadurch vermindert, dass die Kenntniss der Originale selten umfassend genug
sein wird, um ein durchaus sicheres Urtheil feststellen zu können. Selbst
457 Köhler, der gerade nach dieser Seite hin selbständige Studien unternommen
hatte, scheint doch von manchen und schweren Irrthümern nicht frei geblieben
zu sein.
Wie unter den bisher entwickelten Kriterien sachlicher Art die einen ge-
eignet erscheinen, Echtheit oder Unechtheit ohne weiteres zu entscheiden, die
anderen, nur den Verdacht zu wecken oder zu erhöhen, so verhält es sich in
gleicher Weise mit den äusseren oder historischen Momenten der Beur-
theilung. Ist die Unechtheit eines Bildes oder einer Inschrift von ihrem Ver-
fertiger oder einem glaubwürdigen Zeugen anerkannt, so ist natürlich jede wei-
tere Erörterung überflüssig. Wo ein solches Zeugniss fehlt, lässt es sich oft
vollständig oder theilweise ersetzen durch die Nachweisung des Stützpunktes,
dessen sich der Fälscher bedient hat, um seinem Betruge eine äussere Glaub-
würdigkeit zu verschaffen. So muss, wenn ein und derselbe Name eines Stein-
schneiders auf einer ganzen Reihe von Steinen wiederkehrt, nothwendig der
Verdacht entstehen, dass mindestens ein Theil derselben untergeschoben sei.
Entscheidend wird dieser Verdacht, wenn der Name von einem, wenn auch
echten Steine entlehnt ist, auf dem er aber nicht den Steinschneider bezeichnen
kann, oder wenn eine echte Inschrift falsch gelesen und danach auch falsch copirt
worden ist (vgl. Stephani S. 192). Nicht zu leugnen ist, dass die Fälscher die
Namen nicht blos von anderen Gemmen und aus den Schritten der Alten, son-
dern auch zuweilen aus alten Inschriften entlehnt haben mögen, besonders nach-
dem (hauptsächlich durch Gori) die Identität der Steinschneider und der gem-
marii, aurifices u. s. w. behauptet worden war. Der Versuch, den Stephani ge-
macht hat, eine ganze Reihe von Künstlerinschriften unter diesem Gesichtspunkte
zu betrachten, kann jedoch lehren, dass die Resultate nur selten einige Sicher-
heit gewähren, während sie sich in vielen Fällen als vollkommen trügerisch
erwiesen haben.
Endlich ist die Zuverlässigkeit eines Werkes oder einer Inschrift häufig
und oft Wesentlich bedingt durch die Quelle, aus welcher sie uns bekannt ge-
worden sind. Lässt sich die Geschichte eines Steins bis über das sechszehnte