Einleitung.
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aber die grösste ist, auf einem Werke von hoher Vortreiflichkeit und grossem
Umfange, wogegen z. B. an dem stehenden Herakles des Admon die Grösse
der Inschrift weder durch die eine, noch durch die andere Rücksicht gerecht-
fertigt erscheint.
Aus dem gleichen Gefühle der Bescheidenheit erklärt es sich, dass in den 449
echten Künstlerinschriften die Buchstaben nicht weit gesperrt und die Namen
stets ungebrochen in einer Zeile stehen. Eine Vertheilung in mehrere Zeilen
scheint nur da als zulässig betrachtet worden zu sein, wo die Inschrift aus mehr
als einem Worte besteht. Eben so ist kein einziges sicheres Beispiel bekannt,
wo der Name durch einen Theil des Bildes unterbrochen oder die Inschrift rings
um das Bild herum vertheilt wäre, offenbar weil sie dadurch den Anspruch er-
heben würde, mehr als ein Parergon zu sein.
Beachtung verdient ferner auch die Stelle, an der die Inschrift an-
gebracht ist. Bei den Cameen scheinen allerdings aus dem schon früher an-
geführten Grunde nur rein künstlerische Rücksichten maassgebend gewesen zu
sein. Die Namen des Athenion, Boethos, Protarchos stehen theils über, theils
unter dem Bilde, theils mehr zur Seite; und sind nicht immer horizontal, son-
dern in schräger, den Linien des Bildes angemessener Richtung angebracht.
An den Köpfen des Augustus von Dioskurides, des Germanicus von Epitynchanos,
des Portraits von Herophilos haben die Künstler vertiefte Schrift gewählt, wie
es scheint, absichtlich, theils damit nicht der Name für den der dargestellten
Person genommen werde, theils aus dem künstlerischen Grunde, weil erhabene
Schrift die naturgemässe Abrundung eines Portraitkopfes nur gestört haben
würde. Demnach dürfte z. B. der erhaben geschnittene Name des Admon unter
einem Augustuskopf vielmehr einen Beweis der Unechtheit, als der Echtheit des
Werkes abgeben. Die vertieft geschnittenen Steine dagegen waren meist zum
Siegeln bestimmt; und demnach musste, wie hinsichtlich der Grösse der In-
schrift, so auch hinsichtlich der Augenfälligkeit ihrer Stellung dem Besitzer der
Vorrang eingeräumt werden: selbst bei nicht bestellten, sondern zum Verkauf
gearbeiteten Siegelsteinen war der wichtigste Platz dem Namen des Besitzers
offen zu halten. Werfen wir jetzt einen Blick auf die sicheren Künstlerinschriften,
so finden wir, dass sie sich diesem Gesetze streng unterworfen haben, indem
sie fast ohne Ausnahme entweder an einer innerhalb des Bildes freigelassenen
Stelle oder in den Feldern zur Seite des Bildes angebracht sind, theils in senk-
rechter, theils in horizontaler Richtung, bei Profilbildtingen am liebsten in dem 450
hinteren Felde, bei Köpfen indessen auch horizontal in dem naturgemäss etwas
erweiterten Felde vor dem Halse. Da die Bacchantin des Solon nicht als ein
einfacher Kopf, sondern wegen der Brust und des Armes mit dem Thyrsus als
eine künstlerische Composition zu betrachten ist, so kann der Umstand, dass
an ihr der Name gerade vor dem Gesichte steht, nicht als maassgebend für
andere Köpfe betrachtet werden; und es ist deshalb die Frage gerechtfertigt,
ob der Name des Künstlers vor dem Kopfe selbst und namentlich der Länge
nach vor dem Gesicht eines Kopfes stehen könne, wo er, wie nicht zu leugnen
ist, anspruchsvoller erscheint, als an den vorher betrachteten Stellen. Bei dem
Namen des Aulos vor einem Kopfe des Aesculap macht es die eigenthümliche
Umgrenzung" ohnehin schon unwahrscheinlich, und es handelt sich daher zu-