Einleitung.
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ringert, dass nur sehr wenige Namen in dieser Weise überliefert sind, indem
die namentlich von Raoul-Rochette vielfach behauptete Identität der Stein-
schneider mit den gemmarii, caelatores, aurifices in lateinischen Inschriften von 446
Stephani (S. 257) mit Recht abgewiesen wird.
Ferner wird die Annahme eines Künstlernamens unterstützt durch die
Wiederkehr desselben Namens auf mehreren Gemmen. Die Beschränkung Ste-
phanfs (S. 258): sofern „auch der Styl der dargestellten Gegenstände und der
Buchstaben auf diesen verschiedenen Steinen so ähnlich ist, dass sie von der-
selben Hand herrühren können", wird indessen für jetzt nicht zu scharf betont
werden dürfen, indem es an sich wenigstens als möglich zugegeben werden
muss, dass schon im Alterthum Werke berühmter Steinschneider nebst ihrem
Namen copirt oder gar in betrügerischer Absicht gefälscht werden konnten. Ob
es wirklich der Fall gewesen, wird sich allerdings erst dann feststellen lassen,
wenn eine grössere Reihe als wirklich alt nachgewiesener Gemmen zur Ver-
gleichung vorliegt.
Die bisher angegebenen Merkmale gewähren indessen bei einer Masse
von zweifelhaften Fällen noch keine Entscheidung, und Stephani hat es des-
halb nicht unterlassen, auch auf die Abfassung, Stellung und Grösse der In-
Schriften hinzuweisen. Soll aber hier dem subjectiven Gefühl nicht ein zu
grosser Spielraum gelassen werden, so muss gerade hier der Versuch einer
schärferen Formulirung bestimmter Regeln gemacht werden, selbst auf die Ge-
fahr hin, dass dem Zweifel dabei ein zu weites Feld eröffnet wird.
Wir ziehen zuerst die sprachliche Abfassung der Inschriften in Be-
tracht. Es braucht kaum bemerkt zu werden, dass das sicherste Kennzeichen
eines Künstlernamens in der Hinzufügung des die künstlerische Thätigkeit be-
zeichnenden Verbums liegt; wobei nur noch darauf hingewiesen werden mag,
dass sich bis jetzt auf Gemmen nur das Imperfectum änoist gefunden hat. Dass
aber auch ein Name im Genitiv den Künstler bezeichnen könne, ist nicht nur
allgemein angenommen, sondern wird durch das Beispiel des Dioskurides be-
stimmt bewiesen; aber ebenso bestimmt wird durch das vereinzelte Vorkommen
von eint bewiesen, dass der Genitiv den Künstler nicht bezeichnen muss." In
Betreff des Nominativs dagegen ist zunächst ein noch öfter zu betonender Unter-
schied zwischen erhaben und vertieft geschnittenen Steinen geltend zu machen.
Die ersteren machen einen weit bestimmteren Anspruch, unmittelbar und für 447
sich als selbständige Kunstwerke zu gelten, während an den zweiten die Dar-
stellung sehr häufig eine symbolische Bedeutung nach Art der YVappen haben
kann. Dass der Name des Besitzers auf einem Gamee erhaben geschnitten sei,
ist daher wenig wahrscheinlich; und es wird daher niemand darauf verfallen,
z. B. den Namen des Athenion in den zwei bekannten Beispielen auch im
Nominativ für etwas anderes als den Künstlernamen zu erklären. Anders scheint
es sich bei den vertieft geschnittenen Steinen zu verhalten. Unter den sicheren
Künstlerinschriften findet sich ein einziges Beispiel im Nominativ, CQrlQN;
aber die horizontal vor das Brustbild einer Bacchantin gestellte Inschrift endigt
am Rande, und da wir es hier mit einem antiken Glasflusse zu thun haben,
so ist es wenigstens als möglich zuzugeben, dass das Feld am Original etwas
breiter gewesen und die Genitivendung nur im Abdrucke weggefallen sei, wie
Brunn, Geschichte der griechischen Künstler. LI. "2. Aufl. '20