Malerei
Die
Diadochenperiode.
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Wärtigen, sondern in dem Bilde soll sich ein bestimmter Gedanke aussprechen, 275
der uns über die sinnliche Erscheinung hinausführt. Man möchte daher ver-
sucht sein, als das Wesen dieser Künstler im Gegensatze zu dem Realismus
der übrigen den Idealismus zu bezeichnen. Aber wenn wir uns erinnern, dass
Wir bei aller sonstigen Vortrefflichkeit gerade ihnen geistige Tiefe und ein
hohes poetisches Schöpfungsvermögen am wenigsten zuzuerkennen vermochten,
so werden wir ein Mistrauen gegen die Richtigkeit dieses Ausdrucks nicht
unterdrücken können. Allerdings lag wohl den Bestrebungen dieser Männer
die Absicht zu Grunde, die Kunst wieder auf idealere Bahnen zurückzuführen.
Sie mochten erkennen, wie der Realismus dem tieferen geistigen Gehalte Ab-
bruch that, wie ein stets wachsendes Streben nach Effect dem Ernste der Auf-
fassung nicht minder wie der Solidität der Durchführung Gefahr zu bringen
drohte. Allein wenn sie auch durch die eifrigsten Studien und durch die gründ-
lichste Durchbildung bis zumihöchsten Gipfel technischer Vollendung zu ge-
langen vermochten, so waren sie doch nicht im Stande, sich auf diesem Wege
jene Unbefangenheit und Unmittelbarkeit zu erwerben, welche vor allem nöthig
ist, um in der XVelt der Erscheinungen eine künstlerische Idee klar und scharf
zu erfassen und ihr aus ihrem innersten Wesen heraus eine lebenvolle Ge-
staltung zu verleihen. Jene Innerlichkeit war eben damals nicht blos aus der
Kunst, sondern aus dem Leben verschwunden: und was man an ihre Stelle zu
Setzen versuchte, war, wenn freilich auch nicht ein Aeusserliches, doch etwas
von aussen herzu Gebrachtes: es war der bewusste Gedanke, der nie seinen
Stoff so durchdringen und durchwärmen, nie so mit ihm zur Einheit verwachsen
Wird, wie die, gleich dem Keime im Saatkorn, im Innern des Stoffes selbst
ruhende Idee. S0 sehr also auch Apelles und Protogenes im Gegensatze mit
den von uns kurzweg als Realisten bezeichneten Künstlern zu stehen scheinen
und wirklich stehen, so wurzeln sie doch immer mit diesen in dem einen ge-
meinsamen Boden des Zeitgeistes; und erst durch das gleichzeitige Bestehen
beider Richtungen ward es möglich, alle die verschiedenen Forderungen zu be-
friedigen, welche eine so vielfach erregte Zeit, wie die von dem Ende des pelo-
ponnesischen Krieges bis zu den ersten Nachfolgern Alexanders nothwendig auch 276
an die Kunst stellen musste.
Fünfter
Abschnitt.
Die
Malerei
der
Diadochenperiode.
Tinxolnachos.
Tirnoinachos ist die letzte bedeutend hervorragende Persönlichkeit in der
Geschichte der griechischen Malerei. Sie verdient daher an die Spitze der ganzen
Diadochenperiode gestellt zu werden: denn eine chronologische Angabe des
Plinius, welche gegen diese Anordnung zu sprechen scheint, wird später ohne
Schwierigkeit als unhaltbar nachgewiesen werden. Hören wir zunächst, was