Maler.
Lebens; und noch weniger wird ihr durch die Forderungen, welche der Staat
an sie stellt, ihr eigenthümlicher Charakter aufgeprägt. Gerade so erscheint in
Theben die Blüthe der Kunst wohl hervorgerufen durch die Blüthe der po-
litischen Macht: allein von einer lebendigen Wechselbeziehung, von einer He-
bung der Kunst durch directe Einwirkung" des Staates und umgekehrt des po-
litischen Glanzes durch die Kunst ist auch hier nicht die Rede. In Sikyon
endlich zeigt sich die Malerei in derselben lrVeise von den politischen Zuständen
unabhängig, wie wir dies bereits hinsichtlich der Sculptur bemerkt haben 1).
Wenn wir aber den Einfluss des Staates als solchen in dieser Periode nirgends
hoch anschlagen, so werden wir dagegen den socialen Verhältnissen eine um
so höhere Bedeutung beilegen müssen. Mochte auch Griechenland den eigent-
lichen Höhepunkt politischer Macht und Grösse bereits überschritten haben oder
wenigstens den Keim des nahenden Verfalles bereits in sich tragen, so befand
es sich zu keiner Zeit auf einer so hohen Stufe materiellen Wohlstandes, als
gerade damals. Die Schätze einzelner Privatleute namentlich wachsen ins Un-
geheure, so dass in deren Hände naturgemäss die Pflege der Kunst übergeht.
268_Besonders wenn es in den kleineren Staaten dem Einzelnen gelingt, sich zur
Alleinherrschaft emporzuschwingen, scheint unter den Mitteln zur Verherrlichung
solcher Herrschaft der Kunst häuüg eine bevorzugte Stelle zu Theil geworden
zu sein: dafür mögen die hohen Preise, welche Mnason von Elatea, Aristratos
von Sikyon ausgezeichneten Künstlern bezahlten, zum Beweise dienen. Noch
folgenreicher aber war es, dass der König, welcher auf die Herrschaft über ganz
Griechenland sein Auge gerichtet hatte, Philipp von Makedonien, sich hierin
dem Beispiele griechischer Staatsmänner und Fürsten anschloss. Als nun Ale-
xander die Pläne seines Vaters in urnfassendster Weise verwirklichte, da ward
der makedonische Königshof auch für das fernere Gedeihen der Kunst der
eigentliche Mittelpunkt, von welchem aus sie sich, nachdem sie zunächst in
Kleinasien wohl mit in Folge der Züge Alexanders einen erneuten Aufschwung
genommen hatte, dann später wieder über die einzelnen Reiche verbreitete, die
aus der Erbschaft Alexanders hervorgingen.
WVelchen Einfluss nun die eben betrachteten Verhältnisse auf die innere
Entwickelung der Malerei ausübten, wollen wir zuerst dadurch zu erforschen
suchen, dass wir den Kreis der Gegenstände überblicken, an welchen sie sich
übte, Denn ihre Wahl wird nothwendig vielfach dadurch bedingt sein, ob der
Künstler für eine Republik, einen König oder einen Privatmann arbeitet. Dass
die Malerei sich aus ihrer früheren engen Verbindung mit der Religion gelöst
hatte, zeigte sich uns bereits in der vorigen Periode; sie lernte auch in dieser
Hinsicht ihre eigenen WVege gehen, ganz wie sie sich aus der Abhängigkeit
von der Architectur emancipirt hatte. Allerdings mochte auch jetzt noch ein
grosser Theil ihrer Werke in Tempeln und sonstigen heiligen Räumen geweiht
werden, aber gewiss hatten diese nur selten eine nähere Beziehung" zum Cultus
oder auch nur zu bestimmten mit den einzelnen Heiligthümern verbundenen
mythologischen Traditionen. Wenn daher trotzdem die Mythologie noch immer
als das bevorzugte Gebiet dasteht, von welchem die Malerei ihre Stoffe entlehnt,