Die Maler vom Ende des peloponn.
Krieges bis zum Tode Alexanders d.
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zu neuem Glanze; aber auch da sind es wieder, wie früher, mehr einzelne be-
deutende Individuen, welche sich geltend machen, als eine bestimmte Schule
in strenger Geschlossenheit und Fortentwickelung. Dies ist der Grund, wes- 266
halb sich das Wesen der asiatischen Kunst nicht in so wenigen, bestimmten
Sätzen abgegrenzt hinstellen lässt, wie das der sikyonischen und attischen
Schule. Denn die Individualität der Einzelnen tritt theils in ihren eigenen
Werken bestimmter in den Vordergrund, theils verfährt sie auch freier in dem,
was sie von dem bereits vorhandenen Schätze künstlerischer Erfahrung sich
aneignet. So ergänzt Apelles sein Talent durch den Besuch der sikyonischen
Schule, während Protogenes ohne solche Hülfe mühsam durch eigene An-
strengung und Kraft sich zur höchsten Vollendung erhebt. Wenn sich nun
zwischen diesen beiden Künstlern in der ganzen Auffassung ihrer Aufgaben
eine gewisse Gleichartigkeit zeigt, so dürfen wir doch wiederum die ihnen ge-
meinsamen Eigenschaften keineswegs als das" bezeichnen, wodurch ausschliess-
lich das Wesen einer asiatischen Schule begründet würde. Denn um von Anti-
philos, dem Feinde des Apelles, zu schweigen, den wir als geborenen Aegypter
nicht nothwendig" in Verbindung mit den Asiaten zu denken brauchen, so ist
z. B. Theon von Samos ein Maler, dessen Eigenthümlichkeit von der jener
Beiden weit abweicht. Wir vermögen daher unter der durch Plinius über-
'lieferten Bezeichnung des genus Asiaticum oder lonicum nur eine Reihe höchst
bedeutender Leistungen zu verstehen, welche den durch die sikyonische und
attische Schule nach einzelnen bestimmten Richtungen hin gewonnenen Ent-
wickelungen zur Ergänzung dienen und dieselben zu demjenigen Abschlüsse
bringen, welcher nach dem Verhältnisse der damaligen Zustände des griechischen
Geisteslebens tiberhaupt möglich warp
Denn nicht Alles vermag eine Zeit zu leisten; und auch der grösste
Künstler, wie er sehr in vielen Beziehungen seiner Zeit voraneilen und sie lenken
mag, steht doch in andern wieder unter dem Einflusse seiner Umgebungen.
Wir dürfen uns daher nicht begnügen, die einzelnen Erscheinungen der Kunst
in ihrer lsolirung zu betrachten, sondern vermögen ein richtiges Verständniss
ihrer Bedeutung erst von einem umfassenderen Blicke auf die übrigen Ver-
hältnisse des Lebens zu erwarten. Wir beginnen mit den äusseren politischen
Zuständen. Die Malerei erscheint von ihnen zwar weniger abhängig als die
Bildhauerei, welche zu ihrem Gedeihen theils eines grösseren Reichthums an 267
materiellen Mitteln, theils einer fortwährenden Hülfeleistung von Seiten des
Handwerks bedarf, wodurch ihre Ausübung in höherem Grade 311 bestimmte
Orte gebunden ist. Doch lassen sich im Allgemeinen die Einflüsse der Politik
auch auf die Malerei nicht verkennen. Von den Wirkungen des peloponnesischen
Krieges haben wir bereits bei Gelegenheit der vorigen Periode gesprochen.
Während der Dauer desselben hatte die Malerei in Kleinasien ein Asyl ge-
funden; mit seinem Ende kehrt sie wieder nach Griechenland zurück, ist aber
theils selbst eine andere geworden, theils findet sie veränderte Verhältnisse. In
Athen namentlich war der Glanz der kimonischen und perikleischen Staats-
Verwaltung nicht wiedergekehrt; und wenn es auch noch vorkommt, dass z- B.
Euphranor eine öffentliche Halle mit Gemälden zu schmücken hat, so ist doch
die Kunst nicht mehr wie früher auch ein wesentliches Element des politischen