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Maler.
druckt Xoryoroypaqzia: die Solidität und Tüchtigkeit der Durchführung ist es,
welche ihren Werken den Beifall weniger des grossen Haufens, um so mehr
aber der eigentlichen Kenner sicherte. Gerade derselben Erscheinung begegnen
wir in der Schule des Polyklet; und wir dürfen uns daher um so weniger wun-
dern, wenn auch die Stellung der sikyonischen Maler zu der gesammten übrigen
Entwickelung ihrer Kunst eine durchaus analoge ist. Wir erkannten eins der
wesentlichsten Verdienste des Polyklet in der bewahrenden Kraft, welche seiner
Lehre inne wohnte; ja wir schrieben es hauptsächlich seinem Einflüsse zu, dass
sich die griechische Kunst so lange von XVillkür und Ausschweifungen rein er-
hielt 1). Aehnlich war es auch in der Malerei die Schule von Sikyon, welche
allein, wie Plutarch sagt, das Schöne unverdorben bewahrte, und, wie uns das
Beispiel des Apelles lehrt, ihren Einfluss auch weit über die Grenzen von Si-
kyon hinaus verbreitete, ja bis "auf die gesammten Bildungsverhältnisse erstreckte,
indem sie zeigte, dass bei der allgemeinen Erziehung des Geistes auch der Kunst
eine selbstständige Stelle gebühre.
3 Wie aber Polyklet und seine Schule durch die genannten Eigenschaften
zu den attischen Bildhauern in einen bestimmten Gegensatz tritt, so nehmen
wir ein gleiches Verhältniss auch zwischen den sikyonischen und den thebanisch-
attischen Malern wahr. Die Letzteren sind durchaus die geistig und poetisch
erregteren und beweglicheren. In der räxvry stehen sie den Sikyoniern nach;
Aristides z. B. ist hart in den Farben, Euphranor erfreut sich in den Pro-
portionen keineswegs allgemeiner Anerkennung. Dagegen aber erschliessen sie
der Kunst immer neue Gebiete, indem sie die ganze Fülle des menschlichen
Gemüthslebens, die verschiedensten sowohl zarteren, als leidenschaftlicheren
Erregungen der menschlichen Seele zur Darstellung zu bringen unternehmen,
gerade wie in der Bildhauerei Skopas und Praxiteles. Hierdurch tritt es in das
klarste Licht, weshalb schon die Alten von dieser Periode an die Malerei im
eigentlichen Griechenland in zwei Schulen scheiden und sta.tt der einen hel-
ladischen jetzt eine attische und sikyonische annehmen. Denn in der That,
wenn wir namentlich auf die Principien blicken, von welchen jede derselben
ausging, so haben sie nicht nur nichts mit einander gemein, sondern stehen in
dem schärfsten Gegensatze.
Diese bestimmte Scheidung bei den Alten verdient um so mehr unsere
Beachtung, als früher nur die helladische und asiatische Malerei als ihrem Wesen
nach verschieden einander gegenübergestellt wurden. Und für die ältere Zeit
erscheint diese Gegenüberstellung auch vollkommen gerechtfertigt, wenn wir
das Verhältniss des Polygnot und der Attiker zu Zeuxis und Parrhasios ins
Auge fassen; dagegen musste sie bedeutungslos werden, sobald die neuere
Malerei wegen ihrer unbedingt vollendeteren Technik sich überall Eingang ver-
schafft hatte. Hiermit hatten die Kleinasiaten zunächst ihre Aufgabe erfüllt;
sie treten vorläufig wieder in den Hintergrund und tiberlassen es den Griechen
des Mutterlandes, die neu gewonnenen Grundlagen nach den mannigfaltigsten
Richtungen hin auszubilden. Erst als hier die oben dargelegte strenge Schei-
dung bereits vor sich gegangen war, erheben sich auch die Kleinasiaten wieder