Die Maler vom Ende des peloponn.
Krieges bis zum 'I'0de Alexanders d. Gr.
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gestalt, so kann es nicht auffallen, wenn der Haufe der weniger unterrichteten
Beschauer an die weit bekanntere Begegnung des Odysseus und der Nausikaa
erinnert wurde und danach seine Bezeichnung wählte. Neben den Personifica-
tionen der beiden Schiffe aber, für welche sich in künstlerischer Beziehung ein
Verhältniss, wie zwischen Vater und Tochter fast von selbst ergab, sind die
kleinen langen Schiffe ein durchaus sachgemässes Beiwerk, für dessen Erklärung
die gesuchte Anspielung auf die Schiffsmalerei des Protogenes gänzlich über-
flüssig erscheint. Wenn man nun endlich darauf hingewiesen hat, dass Pau-
sanias (I, 22, 5) als in der Pinakothek neben den Propyläen befindlich eine
Darstellung der Nausikaa erwähnt, so wie dass dort der Name des Polygnot
als des Malers aus dem des Protogenes verderbt sein könne und also möglicher
Weise Pausanias und Plinius von demselben Werke sprächen, so verliert diese
Vermuthung ihren Werth durch die früher gelieferte Nachweisung, dass dort
Pausanias einen Cyklus von sechs heroischen Bildern beschreibt, wie er der
Kunstrichtung des Polygnot durchaus entsprechend, bei Protogenes ohne Ana-
logie ist, während jene Personiticationen wieder mit der Eigenthümlichkeit des
Letztern durchaus übereinstimmen. Des Paralos als in Athen befindlich ge-
denkt endlich auch Gicero 1). Ueber die übrigen Werke genügen wenige Be-
merkungen. Von mythologischen Gegenständen wird nur noch ein Pan ge-
nannt. Aber auch dieser bildete schwerlich ein Gemälde für sich. Denn da
Plinius Alexandrum ac Pana anführt, durch ac aber bei ihm zwei zu einem und
demselben Werke gehörige Figuren verbunden zu werden pflegen, so liegt die
Vermuthung nahe, dass Alexander, wie von Apelles als Zeus, so von Protogenes 240
Wegen seines Zuges nach Indien, als neuer Dionysos dargestellt war, in welcher
Bedeutung ihm Pan als Schildträger durchaus passend zugesellt erscheinen
würde. Zur Classe der Portraits gehören ausser diesem Alexander Philiskos,
Antigonos, die Mutter des Aristoteles und vielleicht ein Athlet. Un-
bestimmt müssen wir es lassen, in welcher Weise die Thesmotheten im
Rathhause der Fünfhundert zu Athen, das einzige von Pausanias (I, 3, 4-) er-
wähnte Bild des Protogenes, aufgefasst waren. Von seinen plastischen WVerken
wird keines namentlich hervorgehoben. Dagegen erfahren wir aus Suidas,
dass er 1189i. ygagotxrjg xat (ixqitdfoav zwei Bücher geschrieben hatte.
Protogenes erscheint in den Nachrichten der Alten durchaus als ein Künstler
ersten Ranges. Aber bei keinem Künstler von so ausgezeichnetem Rufe sind
wir weniger im Stande, das WVesen seines künstlerischen Verdienstes im Einzelnen
nachzuweisen, als bei ihm; und was wir über ihn erfahren, bezieht sich eigent-
lich noch mehr auf seine Person, als auf seine Kunst. W0ll6n Wir auch auf
die anekdotenartige Erzählung, dass er bis zu seinem fünfzigsten Jahre Schiffs-
Ynaler gewesen, keinen zu hohen Werth legen, S0 müSSell Wir doch an der
Ueberlieferung festhalten, dass seine äussere Lage in früheren Jahren eine Sehr
dürftige war. Armuth mochte ihn hindern, sich einem der berühmten Meister
in die Schule zu geben; daher sein Lehrer unbekannt ist. Arrnuth mochte ihn
ferner hindern, früh zu anerkanntem Ruhme zu gelangen; so dass erst die un-
eigennützige Bewunderung eines Apelles ihn aus dem Staube hervorzuziehen
1) Verr. IV, 60, ä 135.
Brunn, Geschichte der griechischen Künstler.
Aufl.
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