Die Maler vom Ende des peloponn.
Krieges bis zum Tode
Alexanders d.
153
Zwar, wie ich glaube, eben den: die Hand mit dem Blitze recht bestimmt her-
vortreten zu lassen und den Glanz des Blitzes durch den gebrochenen Ton des
Körpers zu heben und zu steigern. In technischer Beziehung mag zur Er-
reichung dieser und ähnlicher Wirkungen ein besonderes Verfahren von hoher Be-
deutung gewesen sein, welches nach Plinius 1) Bemerkung kein anderer Künstler
nachzuahmen verstand. „Er überzog nemlich," sagt Plinius, "die fertigen Werke
mit einer so dünnen Schwärze, dass bei der Durchsichtigkeit derselben die da-
runterliegende Farbe einen andern Ton annahm und zugleich vor Staub und
Schmutz geschützt wurde, obwohl man die Schwärze selbst erst bei ganz genauer
Betrachtung erkannte. Dieses Verfahren war sehr wohl darauf berechnet, dass
die Helle der Farben das Auge nicht verletzte, indem man sie nun wie durch
ein Glas gebrochen anschaute, und dass aus der Ferne betrachtet die zu grellen
Farben dadurch unvermerkt einen ernsteren Ton erhielten" (unum imitari nemo
potuit, quod ahsoluta opera atramento inlinebat ita tenui, ut id ipsum reper-
cussu claritatis colorem alium excitaret custodiretque a pulvere et sordibus, ad
Inanurn intuenti demum adpareret, sed et cum ratione magna, ne claritas co-
lorum aciem offenderet veluti per lapidem specularem intuentibus et e longin-
quo eadem res nimis floridis coloribus austeritatem occulte daret). Das Schwarz,
dessen sich Apelles hierbei bediente, wird Elfenbeinschwarz gewesen sein, da
Plinius 2) dieses noch besonders als seine Erfindung anführt. Von dem Ver-
fahren selbst scheint jedoch Plinius trotz der Ausführlichkeit, mit welcher er
die Wirkungen desselben beschreibt, keinen vollkommen klaren Begriff gehabt
zu haben: denn eben diese bedeutende, unnachahmliche Wirkung würde durch
einen einfachen, so zu sagen, lirnissartigen Ueberzug mit Schwarz schwerlich
erreicht worden sein. Sie erklärt sich dagegen vollständig durch die Annahme 228
einer ausgebildeten und mit grösster Feinheit durchgeführten Anwendung von
Lasuren, für welche gerade in jener eigenthümlichen Färbung des Körpers Ale-
xanders ein besonders auffälliges Beispiel vorliegt. Denn durch sie wird nicht
nur den zu hellen Tönen ihre Schärfe genommen, sondern dem Ganzen eine
mehr harmonische und zugleich kräftigere Stimmung verliehen, indem durch
den durchsichtigen Ueberzug alle Farben von grösserer Klarheit und Tiefe er-
scheinen.
So wenig wir also über die Einzelnheiten in dem Verfahren des Apelles
unterrichtet sind, so dürfen wir doch mit Bestimmtheit annehmen, dass es sich
bei demselben nicht mehr blos um einfache Gegenüberstellungen von Licht und
Schatten, sondern um einen weit mannigfaltigeren Wechsel verschiedenartiger
Töne handelte. Mit Rücksicht hierauf verdient eine Stelle des Plinius 3) über
die Entwickelung des Golorits hier in etwas genauere Berücksichtigung gezogen
zu werden. Nachdem er nemlich als die erste Stufe die alte Colorirung ohne
Licht und Schatten, als die zweite die Scheidung derselben hingestellt, fährt er
fort: postea deinde adiectus est Splendor, alius hic quam lumen; quod inter
haec et umbras esset, appellarunt tonon, commissuras vero oolorum et transitus
harmogen. Hier haben wir also statt Licht und Schatten eine Stufenleiter von
fünf bis sechs Farbentönen. In der Mitte liegt der tonos, der Localton, die