Volltext: Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler (Bd. 2)

Die Maler vom Ende des peloponn. 
Krieges 
ms zum 
Tode Alexanders d. 
14-9 
Zu verbinden ist, was er an einer andern Stelle 1) bemerkt, dass Apelles den 
Asklepiodor in der „Symmetrie" bewunderte. Den letzteren Ausdruck haben 
Wir gewöhnlich auf die Proportionen bezogen, insofern diese das gewissen Ge- 
Setzen entsprechende Grössenverhältniss der Theile zum Ganzen, zunächst in 
einer und derselben Figur bestimmen. Wo es sich aber, wie in der Malerei, 
11m die Zusammenordnung mehrerer Figuren handelt, da wird die Symmetrie 
auch von dem Grössenverhältniss der verschiedenen Figuren unter einander 
verstanden werden dürfen; und so scheint es wenigstens in Bezug auf Askle- 
piodor Plinius zu thun, wenn er die lateinische Uebersetzung mensura näher 
erklärt als das Verhältniss der Abstände verschiedener Dinge von einander. 
Nach unserer heutigen Kunstsprache würde also hier Symmetrie eine Art von 
perspektivischer Behandlung bezeichnen, auf Welcher in grösseren Gompositionen 
das Vor- oder Zurücktreten der einzelnen Figuren und Dinge beruht. Die Dis- 
position dagegen, welche wir gewöhnlich Composition nennen, hat es mit der 
Anordnung der verschiedenen Theile, ihrer Gliederung und Verbindung zu einem 
künstlerischen Ganzen zu thun. Dass nun in diesen beiden Beziehungen Apelles 
dem Asklepiodor und Melanthios willig den Vorrang zuerkannte, erklärt sich 
Zum Theil durch einen Blick auf seine eigenen Werke. Denn offenbar vermied 
er im Bewusstsein seiner Schwäche die Wahl von Gegenständen, bei deren 
Durchführung auf jenen Eigenschaften eine Hauptbedingung des Erfolgs beruht 
hätte. In der einzigen iigurenreichen Cornposition aber, welche uns bekannt 
ist, dem Bilde der Verleumdung, erscheint in der That wenigstens nach der 
Beschreibigung des Lucian das Verdienst der Anordnung gering und erinnert 
uns mehr an die Cornpositionsweise eines Reliefs, als an die eines nach ma- 
lerischen Principien gruppirten Gemäldes. 
Trotz aller dieser Beschränkungen überragt dennoch der Ruhm des Apelles 
den jedes andern Malers im Alterthum; und um so mehr müssen wir daher 
veranlasst werden zu untersuchen, durch welche Verdienste dieser Ruf begründet 222 
ist und seine Rechtfertigung findet. Wir werden hierbei leider von vereinzelten 
Bemerkungen und anekdotenartigen Notizen ausgehen müssen, deren Benutzung 
eben wegen dieser Eigenschaften doppelte Vorsicht erheischt und dabei für 
unser Urtheil doch nicht eine so sichere Grundlage gewährt, als ein zusammen. 
hängendes Zeugniss, wie sich deren bei Plinius über andere Künstler finden. 
Plinius erzählt 2): „Apelles hatte die stehende Gewohnheit, nie einen Tag 
auch noch so beschäftigt hinzubringen, ohne seine Kunst durch Ziehen von 
Linien zu üben, was von ihm sprüchwörtlich geworden ist  Diese Uebung 
ist zunächst etwas rein Technisches; aber auch nur so betrachtet hat sie immer 
Schon den Nutzen, dass sie dem Künstler Fingerfertigkeit, Gewandtheit, Schnellig- 
keit, Sicherheit der Hand verleihet. Die Hand stellt freilich nur dar, was das 
Auge sieht. Aber dem feinsten und gebildetsten Auge folgt die Hand doch 
nur mangelhaft, wenn sie nicht besonders dafür gebildet worden ist. Die Uebung 
der Hand ist die Grundlage, auf welcher alle weitere Kunstthätigkeit beruht. 
Während aber dieses Zeichnen blosser Linien gewöhnlich beim Unterricht als 
etwas rein elementares betrachtet wird und bald unter dem Zeichnen bestimmter 
107. 
vgl. 
Apostel, 
XVI,
	        
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