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Die
Maler.
sie Pakate genannt Wird, will bei seiner Musterschönheit einer Frau den Körper
nach ihrem Vorbilde dargestellt Wissen, und zwar nicht zu weiss, sondern etwas
Wie durch das Blut geröthet (in) dyav Äsvxöv, äMoZ ävocquov linke-Jg). Dass Apelles
seine Anadyornene nach ihr gemalt haben solle, Ward schon erwähnt.
„Unter seinen Werken befinden sich auch Bilder von Sterbenden":
Plin. 35, 90.
Endlich dürfen wir hier die berühmte Linie nicht übergehen, da sie wie
ein anderes Werk aufgestellt war und nicht minder, namentlich von den Künst-
lern bewundert ward. Plinius hattesie noch in Rom gesehen, ehe sie durch
den Brand des Kaiserpalastes zu Grunde gegangen war. Er erzählt von ihrer
Entstehung folgendes (35, 81-83): Apelles, begierig den Protogenes kennen zu
lernen, eilt gleich nach seiner Ankunft in Rhodos in dessen Wohnung, wo er
214 aber nicht ihn, sondern eine alte Frau als Wächterin trifft. Aufihre Frage, wer
er sei, ergreift er einen Pinsel und zieht mit Farbe eine Linie von der höchsten
Feinheit auf eine zu einem Gemälde vorbereitete Tafel. Nach seiner Rückkehr
erkennt Protogenes sofort, dass nur Apelles es sein könne, der so etwas ge-
liefert; zugleich aber zieht er mit einer andern Farbe eine zweite Linie in die
erste hinein, und lässt, als er wieder weggeht, die Bestellung zurück: der sei
es, welchen jener Unbekannte suche. Da schneidet Apelles bei seiner Rückkehr,
um nicht besiegt zu sein, die Linien nochmals mit einer dritten Farbe und lässt
für eine noch grössere Feinheit keinen weiteren Raum, worauf auch Protogenes
sich besiegt erklärt und eilig seinen Gast aufsucht. Ueber die Bedeutung
dieser Erzählung s. u.
Ausserdem ist zu bemerken, dass Apelles auch Schriften über seine Kunst
herausgwab, wie es scheint, in Form eines Lehrbuches für seinen Schüler Per-
seus: Plin. 35, 79 u. 111.
Von keinem Künstler des Alterthums werden so viele anekdotenartige
Züge mitgetheilt, wie von Apelles. Nur wenige freilich lehren uns etwas über
seine künstlerische Eigenthümlichkeit; wohl aber gewähren sie zusammengenom-
men uns ein ungefähres Bild von seinem persönlichen Charakter, so dass sie
deshalb wenigstens angeführt zu werden verdienen. Apelles erscheint darin als
ein Künstler, der sich seines Verdienstes allerdings wohl bewusst ist, aber doch
die Grenzen desselben kennt, und darum von dem Hochmuth mancher seiner
Kunstgenossen sich frei erhält. Ja im Bewusstsein seiner eigenen Vorzüge ist
er gern bereit. fremdes Verdienst selbst anzuerkennen und bei andern zur An-
erkennung zu bringen, wogegen er freilich auch Thorheit und Selbstüberhebung
mit feiner Ironie zu verspotten und zu strafen versteht. Sein eigenes, von an-
dern nicht übertroffenes Verdienst setzt er in die Grazie. Dagegen erkennt er
dem Melanthios in der Disposition, dem Asklepiodor in den Verhältnissen der
Figuren zu einander den Vorzug zu; Protogenes aber sei ihm bis aufjene leichte
Grazie in allem Uebrigen mindestens gleich, wenn nicht überlegen Als er
bemerkte, dass dieser Künstler aus Mangel an Anerkennung seine Werke zu
215 Spottpreisen wegzugeben gezwungen war, stellte er ihm für die gerade fertigen
Werke den Preis von fünfzig Talenten und verbreitete das Gerücht, er wolle