Volltext: Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler (Bd. 2)

Die Maler 
Elnde des peloponxl. 
Krieges bis zum Tode 
Alexanders d. 
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die unsrige wenigstens noch nach einer Seite hin sicher zu stellen suchen, in- 
dem wir nachweisen, dass sie nicht im Widerspruche mit der allgemeinen Ent- 
Wickelungsgeschichte der Malerei steht. Denn auffallend wird es allerdings er- 
scheinen, dass sich aus der durchaus auf Gefühl und Empfindung; beruhenden 
Richtung des Aristides bei seinem Schüler Euphranor eine so durchaus reali- 
stische Auffassung entwickelt haben soll. Und doch lässt sich die Möglichkeit 
dieses Ueberganges von vorn herein durch eine gewichtige kunstgeschichtliche 
Analogie nachweisen. Gerade der Künstler, dessen ganzes Streben durchaus 
vom lrdischen weg zum geistig Ascetischen gewendet war, Fiesole war es, der 
sin physiognomischer Beziehung allen florentinischen Naturalisten vorgeleuchtet 
hat", „der bei den florentinischen Malern der zweiten Hälfte des löten Jahr- 
hunderts den Sinn für den Reiz und für die Bedeutung des Mannigfaltigen in 
der menschlichen Gesichtsbildung weckte und schärfte  WVie aber hier keines- 
Wegs der Zufall, sondern innere Gründe wirkten, so fehlt es auch nicht an einem 
inneren Zusammenhange zwischen den scheinbar sich widersprechenden Lei- 
stungen des Aristides -und des Euphranor. 
Aristides mochte noch so sehr aus der innersten Tiefe des Seelen- und 
Gefühlslebens heraus seine Werke schaffen, sein ganzes Streben mochte dadurch 
noch so sehr vergeistigt erscheinen: so musste er doch, indem er Affecte, Leiden 
und Leidenschaften schilderte, sein Augenmerk von den bleibenden Formen des 
Grundcharakters, dem Ethos der polygnotischen Kunst ab auf vorübergehende 
psychologische Stimmungen und Züge richten, welchean den ihrer Natur nach 
beweglicheren und wandelbareren Formen des Körpers zur Anschauung kommen. 
Wenn nun aber auch der mit dem feinsten Gefühl hervorragend begabte Künstler 
sich bei der Darstellung jener Züge mit einem möglichst geringen Maasse kör- 192 
perlichen Ausdrucks begnügt, so ist es doch natürlich, dass der, wenn auch 
noch so tüchtige, aber nicht so fein organisirte Nachahmer gerade, was ausser- 
lich, formell wahrnehmbar ist, ins Auge fassen wird. Indem er aber dabei die 
Bemerkung macht, dass mit der Stärke des wiederzugebenden Affects sich auch 
der körperliche Ausdruck steigert, kann er leicht verleitet werden, das Verhält- 
niss zwischen Ursache und Wirkung zu verkennen, und die Darstellung des 
Affects durch die Stärke seiner materiellen Aeusserung bedingt erachten. Und 
hiermit ist der Keim zu jener realistischen Anschauung und Auffassung gegeben, 
welche Grosses und Erhabenes nur körperlich gross und erhaben darstellen zu 
können meint. 
Es würde gewiss lehrreich sein, wenn wir eingehender zu verfolgen ver- 
möchten, wie sich diese Richtung in der Behandlung des Einzelnen offenbarte. 
Aber die wenigen vorhandenen Nachrichten genügten kaum, sie im allgemeinen 
mit Sicherheit nachzuweisen. Nur auf einen Punkt wollen wir noch einmal 
unsere Aufmerksamkeit zurücklenken, auf die Eigenthümlichkeit in der Behand- 
lung der Proportionen. Der älteren von Polyklet begründeten Lehre lag das 
Bestreben zu Grunde, durch ihre quadraten Proportionen den eigentlichen 
Stamm des Körpers, als von welchem jede Kraftentwickelung ausgeht, für eine 
solche auch besonders und nachdrücklich befähigt erscheinen zu lassen. Wenn 
1) Rumohr: ital. Forsch. lI, 264 u. 256 und überhaupt 
Brunn, Geschichte der griechischen Künstler. U. 2. A115- 
13ten 
Capitel. 
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