118
Maler.
Die
animum pinxit et sensus hominis expressit, quae vocant Graeci ethe, item per-
turbationes, durior paulo in coloribus. Was zuerst den letzten Vorwurf anlang-t,
dass dem Aristides eine gewisse Harte in den Farben anhänge, so ist es eine
häufige Erscheinung, dass gerade die Künstler, welche auf den geistigen oder
psychologischen Ausdruck ihre hauptsachlichste Aufmerksamkeit richten, auf
die Farbe als das sinnlichste Mittel der Darstellung geringere Sorgfalt verwenden;
so dass also der von Plinius ausgesprochene Tadel, wenn freilich immer ein
Tadel, doch in gewissem Sinne durch die übrigen Vorzüge bedingt erscheint.
Die Worte nun, in welchen Plinius die letzteren zusammenfasst, lassen sich
nicht wohl streng wörtlich wiedergeben, wie ja auch Plinius, um in der Ueber-
tragung aus seiner Quelle nicht missverstanden zu werden, einmal das ursprüng-
liche griechische Wort derselben beifügt. Es wird sogar gut sein, ihm darin
noch weiter zu folgen, und seinen Ausdruck perturbationes nach der Anleitung
Cicerols in das griechische neiäry zurückzuübersetzen 1). Wir lernen demnach
175 hier Aristides als Maler der rjffv] und notär; kennen, und es ist also die Bedeu-
tung dieser Ausdrücke möglichst genau festzusetzen, was darum nicht ganz
leicht ist, weil theils nach den verschiedenen Verbindungen, in welchen sie ge-
braucht werden, theils auch in den verschiedenen Zeiten ihr Sinn vielfachen
Modiiicationen unterworfen erscheint. Dies können wir schon daraus schliessen,
dass es heisst, Aristides habe zuerst diese Art von Ausdruck gemalt, während
bekanntlich Aristoteles Polygnot den Maler des Ethos nennt, schon den Zeuxis-
aber als einen solchen nicht mehr anerkennen will. Das Ethos des Polygnot
und die rfär; des Aristides müssen also wesentlich verschiedene Dinge sein, und
in dieser Ansicht kann uns die von Plinius versuchte Uebersetzung durch ani-
mus und sensus nur bestärken. Denn die früher gegebene Definition des Ethos,
wie es bei Aristoteles in seinem Verhältniss zur ngägtg erscheint, als des un-
veränderlichen von der Handlung durchaus unabhängigen Charakters einer Person,
ist mit jener Uebersetzung in keiner Weise vereinbar. Ebensowenig aber lässt.
sich die Stellung der rurffh; neben den 1731;, nicht als deren Gegensatz mit
der obigen Definition in Einklang bringen.
Zum richtigen Verständnisse des Urtheils über Aristides kann uns nun
vor Allem eine längere Stelle in der Rhetorik des Dionys von Halikarnass 9)
anleiten, in Welcher davon gehandelt wird, wie sich namentlich der Redner der
11'317 bedienen solle. Zwar spricht auch hier Dionys von jenem einen grössten
Ethos, dem aus der Philosophie abgeleiteten, welches wie ein Grundgedanke-
der Rede zu Grunde liegen müsse (621 xdv rc_5 Ädyog Ev izäv riäog äxsfvo rcl geä-
ywrov, rö äx qnltoooqalag, oiansg Äcyßoiuiv ürcoxeiodat rc_5 Ädycp). Aber diese Art
des Ethos scheint sich mehr auf den Ernst und die Strenge der Auffassung im
Allgemeinen zu beziehen, als auf einen bestimmten persönlichen Charakter. Es
ist gewissermassen der Grundton, durch welchen alle übrigen Töne erst in ein
bestimmtes Verhältniss zu einander treten. Diese andern Töne nun, die fyäv],
sollen in ihrer Beziehung zu jenem Grundton, so wie auch unter einander ge-
mischt je nach Bedürfniss herangezogen und in die Darstellung des Thatsäch-
1) Tusc.
60 Sylb.
11
VSL
Jahn Bor.
sächs.
Gesellsch.
185(
114 fg.