Volltext: Die Bildhauer (Bd. 1)

Bildha: 
stellen sollten; im Dienste des Handwerkes hatte sie nur auszuschmücken, 
was anderen Zwecken im Leben diensthar, nicht ein Kunstwerk für sich zu 
sein bestimmt war. Selbst bei den Geschenken, welche man den Göttern als 
Zehnten oder aus Dankbarkeit für erfüllte Gelübde weihte, sah man anfangs 
mehr auf Kostbarkeit oder Menge; am liebsten stellte man einen Theil des Ge- 
winnes selbst auf, sei es von erbeuteten Waffen, sei es von edlen Metallen, 
und höchstens verarbeitete man dies zu Tempelgeräthschaften mit künstlerischem 
Schmucke. S0 weihen die Samier wegen einer Handelsunternehmung nach 
Tartessos in der 35sten Ol. ein mächtiges Gefass in das Heraeon 1), so Alyattes, 
selbst Kroesus noch ähnliche Geschenke nach Delphi. Diese Verhältnisse dahin 
zu ändern, dass der künstlerische Werth dem materiellen gleich, oder höher als 
dieser, geschätzt werde, konnte aber der Wille und der Eifer einzelner Künstler 
noch keineswegs genügen. Es musste sich das Bedürfniss dazu in der ganzen 
Geistesrichtung der Zeit offenbaren. Aber welchen Einflüssen sollen wir einen 
solchen Umschwung am Anfange der Olympiaden zuschreiben? Sie bilden 
7 keinen Wendepunkt in der Entwickelung des griechischen Geistes, während wir 
ihn gegen das J. 600 auf allen Gebieten wahrgenommen haben. 
Aber auch jetzt noch zeigt sich der Uebergang nur allmählig; noch immer 
ist das Band, welches namentlich die Kunst an die Religion knüpft, ein festes 
und strenges. Viele der genannten Werke sind wenigstens Götterbilder, die 
sich um die Tempelgottheit gruppiren, auf ihre Thätigkeit beziehen, oder Wesen 
darstellen, die ihr befreundet, verwandt oder untergeordnet sind. Kunstwerke 
ausser Beziehung zur Religion kommen fast nicht oder nur ausnahmsweise vor. 
Die alte Sitte blickt ferner noch daraus hervor, dass man den Werth des Kunst- 
werkes durch Kostbarkeit des Stoffes zu erhöhen sucht, durch Anwendung edler 
Metalle, des Elfenbeins, edler Holzarten, aus welchem Gebrauche sich dann 
später die höchste Vollendung der Sculptur in den Kolossen von Gold und Elfen- 
bein entwickelt. Dem Künstler selbst aber scheint die Religion wegen jenes 
Verhältnisses zu ihr eine bevorzugte, fast, wie den Priestern, eine geheiligte 
Stellung gewährt zu haben. So sehen wir das Orakel sich der in Sikyon "be- 
leidigten kretischen Künstler annehmen; und es verdient aus demselben Grunde 
Beachtung, dass wir in einer Zeit, wo von Portraitbildung kaum noch die Rede 
ist, am Throne des Apollo den Chor der Genossen des Bathykles, neben dem 
Apollo zu Tegea das Bild des ChBiYlSOPhOS, endlich das Bild des Theodoros 
wahrscheinlich im Heraeon zu Samos, das er gebaut, aufgestellt finden. Der 
Anerkennung des künstlerischen Verdienstes wird wohl niemand diese Ehre zu- 
schreiben wollen. Weit eher ist es wahrscheinlich, dass die Religion dem 
Künstler das Vorrecht ertheilte, neben und an seinem Werke sich selbst zu 
verherrlichen, weil er ein geweihtes Werk gleichsam unter dem Beistande der 
Gottheit geschaffen. Diese Bilder der Künstler waren also in ihrer Bedeutung 
nicht wesentlich verschieden von denen der Priester, die oft in langen Reihen 
in und bei griechischen Tempeln aufgestellt waren. 
Wir sprachen bisher von der Stellung und den ausseren Verhältnissen 
der Kunst im Allgemeinen. Ueherhlicken wir jetzt die verschiedenen Erschei-
	        
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