Bildhauer.
national geblieben, sondern sie trug sogar stets den Stempel der engeren Hei-
math, des einzelnen Staates an sich. Schon hieraus lässt sich schliessen, dass
mit ihrer Uebersiedelung nach einem ganz neuen und fremden Mittelpunkte,
nach Rom, auch in der ganzen Entwickelung ein grosser Wandel eintreten
musste; und diese Voraussetzung wird um so Weniger trügerisch erscheinen,
wenn wir die Umstände etwas genauer erwägen, unter denen die Uebersiedelung
stattfand. Die griechische Kunst gewann einen ausgedehnten Einfluss in Rom
nicht zur Zeit des Entstehens seiner politischen Macht, wo sie noch mit den
übrigen Einrichtungen im Staate und in der Religion innig hätte verwachsen
und selbständig gedeihen können. Sie fand nicht Eingang durch ein tieferes
und innerlicheres Bedürfniss des Volkslebens. Rom stand bereits auf der Höhe
seiner Macht; und mit derselben und den sich bald ins Unermessliche mehrenden
Reichthümern begannen bereits die strengeren Bande der Sitte, der Religion,
des Staates sich zu lockern. Die Kunst sollte also hier vor Allem der Ver-
herrlichung der Macht, dem Glanze und dem Luxus dienen. Man nahm sie auf
617 als einen Schmuck, zunächst ganz, wie man sie in der Fremde fand; ja, da
Seltenheit und ein theurer Preis den Werth eines Kunstwerkes in den Augen
der Römer zu erhöhen schien, so suchte man bald mehr die Werke früherer,
als noch lebender Künstler. Die persönliche Stellung der Letzteren im Leben
musste unter solchen Verhältnissen eine sehr untergeordnete bleiben ; und daher
mag es kommen, dass wir nur aus der ersten Zeit der vorliegenden Periode,
als das Fremde für sich noch einigermassen ein selbständiges Ansehen be-
hauptete, einige spärliche Nachrichten über Künstler in der Litteratur besitzen,
sowie, dass wir dem Gebrauche der Inschriften rnit Angabe des Namens und
Vaterlandes der Künstler damals noch häufiger begegnen. Später fehlen uns
diese Quellen unserer Erkenntniss bis auf unbedeutende Ausnahmen gänzlich.
Am meisten Anerkennung bei den auf das Praktische gerichteten Römern scheinen
noch die Architekten gefunden zu haben. Von Bildhauern dagegen, deren
Ruhm sich an bedeutendere, namentlich öffentliche Werke geknüpft hätte; er-
fahren wir nicht einmal die Namen: der Weihende nahm den ganzen Ruhm
für sich allein in Anspruch. Ja, wollten wir die Quellen der Künstlergeschichte
als allein massgebend anerkennen, so müsste man beinahe annehmen, dass
die Bildhauerei nicht zu den Künsten gehört habe, welche eines freigeborenen
Römers für würdig gehalten wurden. Denn wer wagt zu entscheiden, 0b nicht
Decius und Coponius, die einzigen etwas bedeutenderen Künstler mit römischen
Namen, Freigelassene waren, wie Gincius Salvius und Avianius Euander?
Unter solchen Umständen leuchtet die Schwierigkeit, in der" Geschichte
der Künstler die Grundlagen für die Geschichte der Kunst zu Enden, von selbst
ein. Noch dazu aber besteht unsere Hauptquelle für die erstere in den mit
Inschriften versehenen Werken, welche eine durchaus andere Behandlung er-
heischen, als die Quellen der Litteratur. Wir hatten nicht mehr die Bedeutung
der Urtheile des Alterthums zu erforschen, sondern aus eigener Anschauung
überhaupt erst ein Urtheil aufzustellen. Der Weg dazu war mühsamer und
verlangte häufig ein längeres Verweilen bei Erörterungen, welche fast noch mehr
der Kunstgeschichte, als der Künstlergeschichte in dem von uns bezeichneten
Umfange angehören. Doch möge man nicht nach dem Wege urtheilen, sondern