Volltext: Die Bildhauer (Bd. 1)

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Bildhau 
erhielt (Dio (lass. 4-9, 43). Zwar bieten an der Stelle des Plinius (36, 35), wo 
von YVerken des Künstlers im Tempel der Juno innerhalb dieses Porticus die 
Rede ist, die besten Handschriften den Namen des Praxiteles dar. Pillein unter 
den übrigen dort angeführten Werken lässt sich keines nachweisen, welches 
älter wäre, als die Zeit des Metellus; und ferner war „die Statue des Juppiter 
aus Elfenbein im Tempel des Metellus, wo man nach dem Marsfelde geht" 
(P1. 36, 40), also doch wahrscheinlich dem Juppitertempel im Porticus der 
Octavia, sicher ein Werk des Pasiteles, was für seine Thätigkeit auch in dem 
benachbarten Tempel zu sprechen scheint. Er soll nach Plinius viele Werke 
gemacht haben, aber nur zwei werden namentlich angeführt, nemlich ausser 
dem genannten Juppiter eine in Silber cisellirte Arbeit: der Schauspieler Ros- 
cius als Kind von einer Schlange umwunden, in welchem Ereigniss man ein 
Vorzeichen seiner späteren Berühmtheit erkennen wollte (Cic. de divin. I, 36). 
Trotz dieser spärlichen Nachrichten haben wir jedoch allen Grund, Pasiteles 
für einen der berühmtesten und bedeutendsten Künstler seiner Zeit zu halten; 
sowohl wegen seiner Vielseitigkeit (denn er arbeitete in Marmor, in Elfenbein, 
in Silber, in Erz), als namentlich wegen seiner Studien. Plinius nemlich führt 
(35, 156) aus Varro an: Pasiteles habe die Plastik, d. h. die Arbeit in Thon, 
die Mutter der Caelatur, der Erz- und Marmorbildnerei genannt, und obwohl 
er in allen diesen Kunstzweigen ausgezeichnet gewesen, habe er nie etwas 
ausgeführt, ohne es vorher in Thon zu bilden. Diesem, ein tiefes Studium 
verrathenden Verfahren schloss sich sodann ergänzend die historische Betrach- 
tung älterer Werke an. Er schrieb fünf Bücher über ausgezeichnete Kunstwerke, 
welche Plinius seiner Quellenangabe zufolge im 33-36sten Buche benutzte. 
Welcher Art nun aber die seinen Werken eigenthümlichen Verdienste waren, 
wird nirgends ausgesprochen; und wir können darüber nur eine Vermuthung 
durch einen Rückschluss von den iWerken seiner Schule aufstellen. 
 Stephanos nemlich nennt sich auf einer athletischen Statue der Villa Albani 
einen Schüler des Pasiteles: CTQQANOC TIACITGACYC 
MAGHTHC EITOEI 
C. I. Gr. n. 6169; schlecht abgebildet bei Marini lscr. Alb. p. 173. Diese Figur 
gehört keineswegs zu denen, welche eine hohe geniale Begabung ihres Urhebers 
voraussetzen lassen. Vielmehr möchte man auf sie die Bezeichnung einer aka- 
demischen Studienfigur anwenden, bei welcher dem Künstler der Gedanke vor- 
schwebte, eine Art Musteriigur, etwa in der Weise des polykletischen Kanon, 
aufzustellen. Die Haltung ist durchaus streng und gemessen, wenig bewegt 
und, wie es scheint, gerade darauf berechnet, den ganzen Körper in seinen 
einfachen und normalen Verhältnissen zu zeigen. Die Behandlung der Ober- 
fläche ist fern von üppiger Weichheit und Fülle; vielmehr liesse sich ihr eine 
gewisse Trockenheit und Magerkeit zum Vorwurfe machen, die aus einem zu 
ängstlichen Streben nach Gorrectheit hervorgegangen sein kann. Endlich muss 
noch besonders die Kleinheit des Kopfes im Verhältniss zum Körper auffallen. 
Alle diese einzelnen Erscheinungen lassen sich vielleicht am einfachsten auf 
folgende Weise erklären: die strengen Regeln des polykletischen Kanon waren 
durch Lysipp verdrängt worden, der ein grösseres Streben nach Anmuth und 
Eleganz der äusseren Erscheinung in die Kunst einführte. Aber indem dadurch
	        
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