Volltext: Die Bildhauer (Bd. 1)

Bildhauer. 
593 Wir nennen an erster Stelle die Kentauren des capitolinischen Museums von 
 Aristeas und Papias. Von diesen Statuen kommen auch sonst mehrfache Wieder- 
holungen vor, so in Paris aus der borghesischen Sammlung, im Vatican, endlich 
Fragmente von wenigstens zwei Exemplaren, die vor einigen Jahren bei Albano 
gefunden wurden. Der Werth der Ausführung ist sehr verschieden; aber die 
Vergleichung lehrt, dass allen ein vorzügliches Original zu Grunde liegt. Der 
Grundcharakter des Kentauren, des an ein rauhes Leben im Walde gewohnten 
Menschen, ist vortrefflich erfasst und in allen Formen festgehalten, während 
 zugleich doch auch die durch die Handlung gegebene Stimmung ihren be- 
stimmten Ausdruck gefunden hat. Dem älteren von Beiden sind von einem 
Eros oder bacchischen Dämon (welcher in dem pariser Exemplar erhalten ist) 
die Hände auf den Rücken gebunden; er ist wehrlos gemacht, und seine sonstige 
Wildheit erscheint zu schwermüthiger Trauer umgestimmt. Aber wie die Fessel 
nicht hindert, in seinem Körper die volle natürliche Kraft zu erkennen, so schim- 
mert auch durch die augenblickliche Melancholie die angeborene Wildheit überall 
durch. Der jüngere jubelt und höhnt das Geschick seines Genossen, ohne zu 
bedenken, dass Gleiches ihm selbst bevorsteht; und wir glauben schon in seinem 
Jubel die Ungefügigkeit und Unbändigkeit zu erkennen, die sich seiner im 
Gegensatz zu der sclnvermüthigen Resignation des älteren bemächtigen wird, 
sobald das Geschick ihn ereilt. Ein so rein durchgebildeter Typus, eine so 
fein in ihren Gegensätzen abgewogene und abgerundete Handlung ist sicherlich 
nicht erst in der hadrianischen Zeit erfunden worden. Dagegen liesse sich 
wohl die Frage aufwerfen, 0b Aristeas und Papias die Erfinder des Originals 
oder nur die Verfertigei" der capitolinischen Copie waren. Für die letztere An- 
nahme spricht zuerst, dass gerade aus dieser späteren Zeit noch einige andere 
Künstler aus Aphrodisias bekannt sind. Sodann aber sind die capitolinischen 
Statuen nicht Copien gewöhnlicher Art, sondern mit grosser Prätension aus- 
geführt, welche die Namensaufschrift auch der Oopisten erklärlich erscheinen 
lässt. Sie wollten, wo möglich, in ihrer Nachbildung den Originalen noch neue 
Schönheiten hinzufügen; oder es sollten, sofern dieselben in Bronze ausgeführt 
waren, auch im Marmor alle die Vorzüge sichtbar werden, welche nur dem 
594 ersten Stoffe eigenthümlich sind. Die Künstler waren vorzügliche Techniker; 
sie haben dem spröden und harten schwarzen Marmor eine Ausführung ab- 
gewonnen (so namentlich in den losen Partien des Haupthaares), wie wir sie 
sonst nur in Bronzewerken zu sehen gewohnt sind. Aber diese technische 
Meisterschaft wurde auch die Klippe, an welcher sie scheiterten. Denn gerade 
durch sie verräth sich der Mangel an allem feineren Gefühle und höherem 
Kunstsinne. Die Muskeln werden durch die Schärfe der Durchführung Wulstig 
und liegen wie Polster über und neben einander. Die kurzen Haare auf der 
Brust, die Andeutungen derselben am Pferdekörper, wo sie in zwei verschiedenen 
Richtungen auf einander stossend sich gewissermassen brechen, mochten, in 
Bronze durch feine Gisellirung angegeben, eine besondere Schönheit bilden: 
hier erscheinen sie als trockene, harte Einschnitte in die Haut, welche einer 
harmonischen Verarbeitung mehr hinderlich, als förderlich sind. So zeigen sich 
Aristeas und Papias allerdings in einer Beziehung; als Nachkommen der klein- 
asiatischen Künstler: in dem Streben, ihre Meisterschaft zur Schau zu tragen;
	        
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