Die
griechische
ZHT
Kunst
Zeit
der
Smischen
Herrschaft.
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aus diesem Grundcharakter wie mit Nothwendigkeit hervorgegangen schienen,
anderen Theils, jeden Theil ihrer Aufgabe in dem Sinne und in der Absicht,
in welcher sie denselben erfasst hatten, mit einem hohen Grade von Voll-
kommenheit zu lösen. Gerade in diesen beiden Beziehungen, werden wir nun
nach den bisherigen Erörterungen behaupten dürfen, stand der Künstler des
Fechters seinen Vorgängern nach. Mag auch sein noch erhaltenes Werk in
Verbindung mit anderen Gliedern einer Gomposition ein höheres geistiges oder
poetisches Interesse in Anspruch genommen haben, als in seiner Vereinzelung,
immer wird weder die äussere Einheit des Ganzen eine so eng geschlossene
gewesen sein, noch die Handlung selbst eine so ergreifende Wirkung auf das
Gemüth des Beschauers hervorgebracht haben, wie beim Laokoon oder dem 583
Stier. ln dem Ausdrucke des Fechters wenigstens spricht sich kein Gefühl aus,
welches über die unmittelbar durch den Kampf in Anspruch genommene That-
kraft hinausginge. Aber selbst in der Darstellung dieses Ausdruckes scheint
der Künstler nicht seine hauptsächlichste Aufgabe gesehen zu haben, sondern
vielmehr in der Durchführung der Wirkung, welche der Kampf auf den Körper
ausübt. Je mehr er aber hier Gelegenheit fand, mit dem ganzen Schatze seiner
Studien und Kenntnisse zu glänzen, um so mehr wurde ihm diese Absicht der
eigentliche Zweck; und so ist denn in der That das höchste Lob, welches
seinem Werke ertheilt werden kann, das einer grossen Meisterschaft in der
Durchführung, in derjenigen Richtung der künstlerischen Thätigkeit, welche als
das künstlerische Maclnverk im weiteren Sinne bezeichnet zu werden pflegt.
Selbst hierin jedoch stand er seinen Vorgängern nach, in sofern er diejenige
Sicherheit, welche nur ein feines Gefühl oder ein klares Verständniss der Er-
scheinungen des Lebens in ihrem organischen Zusammenhange verleihen kann,
auch durch das fleissigste Studium sich nicht zu erwerben vermochte, und daher
die Schwierigkeiten, mit denen er zu laämpfen hatte, sich dem aufmerksamen
Beschauer immer verrathen werden.
Schliesslich mag hier, obwohl es schon aus der ganzen Erörterung an
sich hervorgeht, noch ausdrücklich daran erinnert werden, dass die anscheinend
vielleicht zu scharfe Beurtheilung dieses Künstlers lediglich im Zusammenhange
mit den vollkommneren Erscheinungen der früheren Zeit aufzufassen ist. Aus-
schliesslich unter seinen Zeitgenossen oder im Verhältniss zu seinen Nachfolgern
betrachtet, müsste er uns natürlich in einem ganz anderen Lichte erscheinen;
und es würde sich ihm schwerlich ein Anderer an die Seite stellen dürfen,
weder in Hinsicht auf sein künstlerisches Wissen, noch in Hinsicht auf die
Selbständigkeit in Erfindung und Durchführung. Denken wir z. B. an die
athenischen Werke dieser Periode zurück, so überragt sie der Künstler des
Fechters sämmtlich darin, dass er sein Werk, wie keiner derselben, sein volles
Eigenthum nennen kann; und, während jene durch etwaige Entdeckung einer
grösseren Zahl von Originalenider älteren Zeit vielleicht noch einen grossen
Theil ihres bisherigen Ansehens einbüssen werden, wird dem Fechter als einem
Originale in der Entwickelungsgeschiehte der Kunst immer ein bestimmter, 584
relativ sogar bedeutender Platz gesichert bleiben müssen.
Nach dieser langen Erörterung können wir mit wenigen Worten über die
Statue hinweggehen, an welcher Herakleides, von dem wir vermutheten, dass