Die
in ihrem
Kunst
griechische
nach
Streben
äusserer
Wrahrheit.
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Spruch. Denn auch hier beruhte ja, wie wir schon früher bemerkten, das Ver-
dienst des Werkes in der von aller Anstrengung gelösten und ruhenden, aber
darum nicht minder im ganzen Organismus vorhandenen Elasticität des Baues
und der Fügung aller Glieder. Bis zum sinnlich Ueppig-en verirrte sich dagegen,
so viel wir wissen, die sikyonische Kunst niemals. Nicht übersehen dürfen
wir endlich die Menge von Thieren, welche jetzt theils selbständig, theils in
Gespannen, theils in den häufiger wiederkehrenden Jagddarstellungen gebildet
werden. Auch darin verläugnet sich der Charakter der Schule nicht; denn
gerade an Thieren liess sich die Schärfe in der Beobachtung der Wirklichkeit,
das Verständniss der Form und des ganzen Lebens in den mannigfachsten
Variationen darlegen.
Wenn es uns in dem Vorhergehenden gelungen ist, die Neuerungen in
der Wahl der Gegenstände bildlicher Darstellungen mit Erscheinungen der frü-
heren Periode zu verknüpfen und sie aus ihnen abzuleiten, so wird es unser
Streben sein müssen, denselben Zusammenhang auch in den verschiedenen
Seiten der künstlerischen Behandlung nachzuweisen. NVir richten daher zuerst
unser Augenmerk auf die Technik, und finden, dass die Attiker, wie sie früher
in allen Zweigen derselben sich mit gleicher Meisterschaft bewegten, auch jetzt
noch den Ruhm der Vielseitigkeit bewahren. Selbst in den kostbaren Stoffen, 433
in Gold und Elfenbein, deren Anwendung bei dem sinkenden Wohlstand der
Staaten seltener werden musste, arbeiten ausnahmsweise Bryaxis und Leochares.
Die grösste Ausdehnung gewinnt indessen in dieser Periode die Bildnerei in
Marmor, ja sie fängt an, ein entschiedenes Uebergewicht über den Erzguss zu
erlangen, welcher jedoch noch fortwährend, und sogar mit technischer Virtuo-
sität, z. B. von Silanion, ausgeübt wird. Umgekehrt verhält es sich in Sikyon:
dort herrscht der Erzguss unbedingt. Von "Lysipp kennen wir kein Werk in
Marmor; unter den Werken seiner ganzen Schule aber lässt sich nur ein ein-
ziges sicher als in diesem Material ausgeführt nachweisen, ein Dionysos des
Eutychides.
Schon früher haben wir uns gewöhnt, den Stoff eines Bildwerkes nicht
als etwas rein Aeusserliches und Zufälliges zu betrachten, und vielmehr be-
hauptet, dass vielfach durch ihn die ganze Behandlung der Form in ihrer
äusseren Erscheinung bedingt sei. Die Natur des Marmors nun, sein Farben-
ton, seine Fügung, verleihen ihm eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Fleische
des menschlichen Körpers, und mussten daher in einer Zeit, welche über alle
Mittel der Darstellung frei gebot, das Streben hervorrufen, durch den Stoff selbst
mit der Wirklichkeit zu wetteifern, geradezu Illusion zu bewirken. Und so
finden wir es in der That bei den Attikern dieser Periode, in scharf aus-
gesprochener Weise namentlich und zuerst bei Praxiteles. Jener sinnliche Reiz,
jene Weichheit und Zartheit der Oberfläche des Körpers, welche als ein Vorzug
seiner Werke gerühmt werden, stehen mit seiner Vorliebe für den Marmor im
engsten Zusammenhange. Doch mag uns die Mässigung und Milde, welche
uns überall als ein Grundzug seines Charakters entgegentritt, eine Bürgschaft
sein, dass er auch auf diesem Gebiete sich selbst bestimmte Schranken ge-
zogen haben wird. Immer jedoch hatte er dem Geschlechte der Nachfolger und
Nachahmer ein Beispiel gegeben, welches bei minderer Selbstbeherrschung auf