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Bildhauer.
431 druck hervorgehoben haben, dass in ihr die Götterhildungen nur eine geringe
Bedeutung hatten, müssen wir hier wiederholen: auch jetzt treten sie, wie über-
haupt die ldealbildungen, Wenigstens nicht in den Vordergrund. Von Lysipp
werden allerdings deren mehrere genannt; aber schon das ist in gewisser Bezie-
hung bezeichnend, dass Plinius, welcher das Bedeutendste anzuführen sich zur
Aufgabe gesetzt hat, von Götterbildern des Lysipp bis auf die Quadriga des
rhodischen Sonnengottes und den wegen seiner Kolossalität angeführten Zeus
zu Tarent gänzlich schweigt. Nirgends aber finden wir eine Spur, dass zu der
bedeutenden Umgestaltung eines Theiles der Götter in ihrer ganzen Bildung,
wie sie gleichzeitig von den Attikern versucht und durchgeführt wird, die sikyo-
nische Schule irgendwie in bezeichnender Weise mitgewirkt habe. Eben so
wenig scheinen in ihr die neuen Bildungen aus der Welt der niederen Götter
und Daemonen Beachtung und Nachahmung; gefunden zu haben; und der ein-
zige Versuch, welchen Lysipp nach einer neuen Richtung hin in seinem alle-
gorischen Kairos machte, musste als ein missglückter bezeichnet werden.
Kaum zahlreicher als früher sind die Statuen von Frauen; neben einigen ein-
zelnen Figuren, einer taurnelnden Flötenspielerin, einer stieropfernden Nike,
der Tyche von Antiochien, einer Frau auf einem Zweigespanne, werden Musen
von Lysipp und die Statuen mehrerer Dichterinnen von verschiedenen Künstlern
angeführt; und man hat sehr unrecht gethan, die letzteren als Hetaeren zu
bezeichnen, welche eine weit sinnlichere Auffassung bedingen würden, als sich
in allen anderen Werken dieser Schule verräth. Panteuchis, welche nach der
Bezeichnung ovklarzßdvovoa äx rpäopäavg allein eine Ausnahme machen könnte,
ist leider sonst gänzlich unbekannt: gerade ihr Bild aber war ein Werk des
ernsten und strengen Euthykrates. So werden wir entschieden auf den Kreis
derjenigen Darstellungen hingewiesen, welche schon von Polyklet und seiner
Schule mit grosser Ausschliesslichkeit behandelt worden waren: Darstellungen,
in welchen die Schönheit der körperlichen Erscheinung, die vollendete Durch-
"bildung der Form als die obersten und höchsten Vorzüge erstrebt wurden.
Hierher gehören also vor allen die athletischen Darstellungen: und wenn auch
olympische Siegerstatuen in dieser Periode schon in geringerer Zahl aufgestellt
worden zu sein scheinen als früher, so sind doch die meisten sikyonischen
482 Künstler auch jetzt noch in diesem Kunstzweige thätig. Ferner müssen wir
hierher die Hauptmasse der Bilder rechnen, welche sich auf Alexander und
seine Umgebung beziehen. Alexander z. Brmit der Lanze, wie ihn Lysipp in
einem berühmten Werke darstellte, darf uns wohl an den Doryphoros des Polyklet
erinnern. Die Grenzen freilich, welche dieser Künstlenfestgestellt hatte, glaubte
man jetzt nicht mehr in der früheren Strenge bewahren zu müssen; und wenn
wir früher den Doryphoros und Diadurnenos gewissermassen als die Grenzsteine
bezeichneten, so geht man jetzt nach den beiden entgegengesetzten Richtungen
über dieselben hinaus: bis zu welchem Punkte, lehren auf der einen Seite die
verschiedenen Bildungen des Herakles, auf der anderen das Bild des Eurotas,
des gewaltigsten der Heroen und des weich hinfliessenden Flussgottes. Dass
aber eine Schule, welche, man kann wohl sagen, durchaus von der Gymnastik
ausgegangen war, schliesslich dahin gelangte, einen Flussgott wie fliessend
darzustellen, steht mit ihrem ursprünglichen Charakter keineswegs im Wider-