Bildhauer.
Werke, an die sich sein Name knüpft, während ihn in Kreta wenigstens der
Mythus auch mit Bauwerken in Verbindung bringt. In Sicilien, Sardinien,
Italien überwiegen dagegen diese letzteren und nur ein Bildwerlä in Gela wird
daneben erwähnt. Wir haben bereits gesehen, dass die Sage die Gegenwart
des Daedalos an den meisten dieser Orte durch die Geschichte seiner YVande-
rungen erklärt hat. Dieser Ausweg steht der Sage wohl an. Nur darf man
von uns nicht verlangen, dass wir sie wörtlich als geschichtliche Wahrheit an-
erkennen sollen. Vielmehr dürfen wir annehmen, dass der Zusammenhang der
Erzählung sich erst aus einer Vereinigung ursprünglich getrennter Erscheinungen
entwickelt hat; dass, wo an Verschiedenen Orten Verwandtes sich zeigte, die
20 Sage dieses alles auf die eine Person des Daedalos übertrug, dass also nicht
die Einheit des Künstlers, sondern die Verwandtschaft und Uebereinstimmung
der Kunstgattung das Ursprüngliche war. Unsere Aufgabe ist es daher, zu er-
mitteln, worin diese Eigenthümlichkeit daedalischer Kunst bestanden habe.
Der Stoff daedalischer Bildwerke, wo er ausdrücklich genannt wird, ist
immer Holz: darin also unterscheiden sie sich nicht von andern Werken der
ältesten griechischen Kunst. Die goldene Honigscheibe auf dem Eryx ist mir
als alt-daedalisches Werk zu verdächtig, um daraus einen Schluss auf Metall-
arbeit des Daedalos zu ziehen 1). Auch im Te chnischen erfahren wir nichts
von besonderen Eigenthümlichkeiten. Die Werkzeuge, deren Erfindung die Sage
dem Daedalos beilegt: Säge, Axt, Bleiloth, Bohrer, Leim, Fischleim 2) bilden
die fabrica materiaria, die Werkstatt des Handwerkers, beweisen also noch wenig
für Fortschritte der Kunst.
Gegenstände der Darstellung sind vorzugsweise die Bilder der Götter,
zu denen auch Herakles zu zählen ist. In welcher Gestalt sie aber gebildet
waren, erfahren wir nur bei zweien: der Herakles zu Pisa war nackt, die
Aphrodite zu Delos endigte unten in Gestalt einer Herme.
WVichtiger als diese Nachrichten ist uns, was die Alten im Allgemeinen
als Kennzeichen daedalischer Werke angeben. Am häufigsten nun hören wir
an ihnen die täuschende Lebendigkeit rühmen: sie scheinen zu leben, Herakles
wirft mit einem Steine nach seinem Abbilde; man muss die Bilder fesseln, da-
mit sie nicht entlaufen 3). Alle diese Lobsprüche haben natürlich nur einen
Sinn, wenn Wir sie auf die vorhergehende, nicht auf die nachfolgende Zeit be-
ziehen. Denn auch ohne das Zeugniss des Plato 4) würden wir es glauben,
dass zu seiner Zeit ein Künstler sich lächerlich gemacht haben würde, wenn
er in der Weise des Daedalos hatte arbeiten Wollen. Vor der Zeit des Daedalos
aber ward die menschliche Figur mit geschlossenen Füssen, eng anliegenden
Armen und, obschon dies weniger glaublich klingt und schwerlich durchgängig
der Fall war, mit geschlossenen Augen gebildet. Er nun öffnete dieselben,
löste die Arme vom Körper los und liess die Füsse ausschreiten. 5) Diese Neue-
1) Ueber gguaöw bei Kallistr. Stat. h" vgl. die Note von Jacobs. 9) Plin. 7,
Seneca ep. 90. vgl. Varro fr. p. ed. Bip. 3) Plato Meno p. 97. Arist. Polif.
Lucian Philops. 19. nebst den Schal. Hesych v. Jlcßöxzzluu. Schol. Eur. Hec.
4) Hipp. maior. p. 382. vgl. Arist. orat. Platon. I. T. ll, p. 30. ed. Jebb. 5). Schol.
Men. p. 97. Suid. s. v. zlrzaölälorm nowjyara.
198.
I. 4.
838.
Plat.