Bildhauer.
sprechen soll, zur Bezeichnung von etwas anderem missbraucht als diese durch
sich selbst darzustellen vermögen.
"Wir fragen jetzt: ist die Erfindung dieses Werkes eine vereinzelte Ver-
irrung? ist sie charakteristisch für die künstlerische Entwickelung des Lysipp?
oder ist sie überhaupt nur ein Zeichen der gänzlich veränderten Anschauung
der Kunst und des Lebens zu seiner Zeit"? Seine "Werke mögen antworten.
Plinius, dessen Absicht es war, gerade die vorzüglichsten derselben anzuführen,
nennt in (ler Hauptstelle nur ein einziges Götterbild: den Sonnengott, und zwar
ist dieses eine quadriga cum Sole Rhodiorum, so dass sich die Behauptung
aufstellen liese, das Gespann sei künstlerisch mindestens eben so wichtig
368 gewesen, als der Gott. Der Zeus und der Herakles der Tarentiner verdanken
ihre Erwähnung bei Plinius, wie bei anderen Schriftstellern der Alten, zumeist
ihrer kolossalen Grösse. Ausserdem werden einige Götterbilder hie und da
genannt, aber ohne eine besondere Auszeichnung. welche erlaubte, bei ihnen
gerade das Verdienst einer eigenthümlichen Auffassung vorauszusetzen: denn
die Statuen des Herakles werden wir nicht als Götterideale im strengen Sinne
gelten lassen dürfen. Wie ihn Lysipp darstellte, war er vor Allem ein Bild
körperlicher Kraft.
Auf diese beiden Thatsachen, einer Seits, dass seine Götterbiltler weder
durch geistige Vorzüge, noch durch Neuheit der Auffassung die Aufmerksam-
keit der Alten in Anspruch nahmen, und anderer Seits, dass der einzige Ver-
such, etwas durchaus Neues zu schaffen, der Kairos, ein missglückter genannt
werden muss, gründen wir nun die Behauptung, dass dem Lysipp überhaupt
diejenige künstlerische Phantasie gefehlt habe, welche zur Schöpfung geistiger
Ideale nothwendig war, welche namentlich den Ruhm des Phidias ausmachte.
Aber wir haben gesehen, dass auch das physische, animalische Leben in der
Kunst zum Ideal erhoben, rein von der idealen Seite erfasst und dargestellt
werden kann. Die Werke des Myron lieferten uns den Beweis. An diese aber
hier noch besonders zu erinnern, zwingen uns verschiedene Gründe. Die Enmwa,
vivida signa dieses Künstlers laden zu einer Vergleichung mit denen des Lysipp
ein, wenn es nach Properz (III, 7, 9) heisst:
Lysippi
animoszm
effin gere
sigma.
Die taumelnde Flötenspielerin dieses letzteren erscheint wie ein Seiten-
stück zu der trunkenen Alten des Myron; das ungezäumte Pferd des einen
stellt sich durch seine Lebendigkeit der Kuh des andern zur Seite. Jene
berühmte, ihre Wunden leckende Hündin aber, ein Wunder der Kunst wegen
der indiscreta veri similitudo 1), durften wir nicht einem der beiden Künstler
lieber, als dem anderen beilegen: so sehr schien das ihr gespendete Lob beiden
auf gleiche Weise zu gebühren. Und dennoch werden wir auf die Frage, 0b
die Aehnlichkeit zwischen Myron und Lysipp auf einer tieferen geistigen Ver-
wandtschaft beruhe, ob sie eine durchgreifende, vollständige sei, verneinend
antworten müssen. Wir verweisen auf den Ladas, den Diskobol des Myron:
Werke von dieser Lebendigkeit der Bewegung, in welchen auch der kleinste
Theil dem Zwecke untergeordnet erscheint, einen einzigen scharf abgegrenzten