Die
Kunst
griechische
ihrem
nach
Streben
äusserer
Wahrheit.
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dische angeschlossen haben. Hier gewinnen ferner die Andeutungen des Alter-
tllums über das Verhältniss des Künstlers zur Phryne grössere Wichtigkeit.
Denn wenn man sagen konnte, ihr Bild liege der Knidierin zu Grunde, so wird
an den Darstellungen ihrer eigenen Person die Richtung des Künstlers auf rein
sinnliche Schönheit sich nur um so deutlicher ausgesprochen haben, Während
ein (iötterbild auch zu jener Zeit noch mit manchen Rücksichten behandelt sein
musste. Leider fehlen uns über den Charakter der übrigen Bilder von Göttinnen
und Frauen alle Weiteren Nachrichten, wenn wir nicht hierher ein Wort des
Petronius 1) ziehen wollen, welcher von dem Kusse einer schönen Frau sagt:
so müsse sich Praxiteles einen Kuss der Diana vorgestellt haben. So viel werden
iwir aber immerhin zugeben können, dass die weibliche Gestalt schon an sich
eine ausgesprochene Richtung auf körperliche Schönheit rechtfertigt, dass selbst
das Bild einer Hera nach der strengen Auffassung des Polyklet einen nicht
unbedeutenden Schritt nach jener Richtung hin erlaubt; und immerhin dürfen
Wir in Anschlag bringen, dasswir von Frauengestalten, welche den Ausdruck
geistiger Energie oder körperlicher Kraft mit Nothwendigkeit voraussetzen, bei
Praxiteles nichts oder nur beiläufig etwas erfahren: denn von den Niobiden,
Vrelche das Gegentheil beweisen würden, schweige ich hier noch absichtlich.
Eine wesentliche Bestätigung unserer Ansicht gewinnen wir ferner aus
der Betrachtung der männlichen Gestalten des Praxiteles. Wie unter den Frauen
Aphrodite, so nimmt hier Eros die erste Stelle ein. Der Künstler aber bildete
den Gott nicht als Kind, sondern als heranreifenden Knaben, bei welchem die
Zartheit der Jugend noch nicht von männlicher Kräftigkeit verdrängt ist. Dieser
Charakter leuchtet aus den beiden Beschreibungen des Gallistratus, so schwülstig
und geschraubt sie auch sind, deutlich hervor. Welche Bedeutung aber der 350
Künstler dem sinnlichen, körperlichen Reiz in der Darstellung eingeräumt hatte,
zeigen sowohl die Anspielungen Lucians 2), als in noch höherem Grade die Ver-
irrungen einer griechischen Phantasie, welche den Eros zu Parion, wie die kni-
dische Aphrodite befleckten. Besondere Beachtung verdient es ferner, dass
zur Zeit des Praxiteles und gewiss zum Theil durch ihn selbst die jugendliche
Bildung der Götter Ueberhand nahm. So war Hermes mit dem Dionysoskinde
(für welche Gruppe indessen schon ein Vorbild in einer ähnlichen des Kephisodot
vorlag) gewiss der jugendliche Gott. Auffallender ist die Darstellung Ap0llo's
im Knabenalter, wie wir sie aus den Wiederholungen des Sauroktonos kennen.
Namentlich aber muss hier auf die Bildungen des Dionjrsos und seiner Beglei-
tung aufmerksam gemacht werden. Denn ich kann Müller 3) nicht beistimmen,
welcher wahrscheinlich wegen des lateinischen Ausdrucks Liberum patrem bei
Plinius annehmen will, dass wenigstens zuweilen Praxiteles den Gott in der
älteren Weise, im reiferen llrlannesalter gebildet habe. Die Verbindung, in welche
dieser Liber pater mit der Ebrietas oder Methe und dem Satyr Staphylos oder '
Ampelos tritt, erinnert uns vielmehr an die Gruppen oder deren Nachbildungen
in Reliefs, in welchen Dionysos theils mit einem, theils mit zwei Satyrn, aber
auch mit einem Satyr und einer weiblichen Figur vereinigt erscheint. In diesen
ist er immer der jugendliche Gott, von weichen, fast weibisch üppigen Formen,
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Amor.
Handb.
12T,