Volltext: Die Bildhauer (Bd. 1)

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Die 
Bildhauer. 
Briefe dieses Griechen an Martin Crusiusin dessen Turcograecia, Basil. 1584, p. 430. 
Die nach Menschenfleisch begierigen Pferde über der Thür des Pantheon aber, 
von welchen dort gesprochen wird, sind offenbar nichts anderes, als die Bosse 
des Poseidon in dem Giebel des Parthenon. 
Endlich dürfen wir hier die Angabe des Plinius (35, 122) nicht übergrehen, 
dass nach der Meinung Einiger die enkaustische Malerei von Aristides erfunden, 
von Praxiteles aber die Erfindung vervollkommnet sein soll. Aus chronologischen 
Gründen dürfen wir dieselbe nicht verwerfen, da sich durch genauere Unter- 
suchungen herausstellt, dass Aristides in der That etwas früher, als Praxiteles 
gelebt haben muss. Ich glaube aber auch ferner nicht, dass ihretwegen der 
345 Bildhauer Praxiteles Wirklich als ausübender Maler zu denken ist. Er legte auf 
die Bemalung (circumlitio) seiner Marmorwerke einen hohen Werth, und schätzte 
sogar aus diesem Grunde diejenigen unter ihnen am höchsten, an Welchen die- 
selbe von der Hand eines in diesem Kunstziveige besonders ausgezeichneten 
Meisters, Nikias, ausgeführt wurde. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass 
auch er selbst sich um das technische Verfahren dieser Kunst bekümmert habe 
und auf diese Weise dazu gekommen sei, eine Erfindung zu machen, die selbst 
für die eigentliche, höhere Malerei von wesentlichem Nutzen sein konnte. 
Bei der Beurtheilung des Praxiteles werden wir von einer Thatsache aus- 
gehen, die an sich mehr zu Zweifeln, als zu Aufklitrungen führen zu müssen 
scheint: nemlich davon, dass bei den Niohiden, einem Werke, Welches gewiss 
in vieler Beziehung das geistige Wesen seines Urhebers charakterisiren musste; 
die Kunstkenner des Alterthums schwankten, ob es dem Skopas oder dem 
Praxiteles beizulegen sei. Wir dürfen daraus gewiss eine Folgerung mit voller 
Bestimmtheit ziehen: dass die beiden Künstler nicht geradezu entgegengesetzte 
oder auch nur wesentlich verschiedene Richtungen verfolgten, sondern in vielen, 
wenn nicht in den meisten Dingen von einer gemeinschaftlichen oder ähnlichen 
Grundanschauung der Kunst ausgingen. Den ersten, mehr äusserlichen Beweis 
für diese Behauptung liefert schon die Wahl des Materials: Skopas arbeitete 
fast ausschliesslich in Marmor, „Praxiteles war im Marmor g-ltlcklicher, als im 
Erz, und daher auch berühmter", "übertraf im Marmor sich selbst" 1). Zweitens 
zeigt sich aber eine gewisse Verwandtschaft auch in der Wahl der dargestellten 
Gegenstände. Bilder wirklicher Personen sind bei Skopas gänzlich unbekannt; 
bei Praxiteles finden wir sie in beschränktem Maasse: die Portraits der Phryne 
aber scheinen sich in gewisser Beziehung den Gestalten aus dem Kreise der 
Aphrodite angeschlossen zu haben; die des Harmodios und Aristogeiton nähern 
sich dem allgemeinen Charakter der Heroen. Diese selbst aber nehmen eben- 
falls unter den Werken keines der beiden Künstler eine hervorragende Stelle 
ein. Ja sogar unter den Göttern wenden sie nicht allen eine gleiche Aufmerk- 
346 samkeit zu. Zwar bildet Praxiteles die ganze Reihe der Zwölfgötter, und auch 
unter den Werken des Skopas finden wir einzelne Göttergestalten von einer, 
vorzugsweise geistigen, ethischen Bedeutung. Der höchste Rubin dieser Künst- 
ler beruht indessen auf den Bildern der Aphrodite, Demeter, Persephone, Flora, 
des Eros, Dionysos, Apollo, also weiblicher oder jugendlicher männlicher Gestalten, 
Plin.
	        
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