Bildhauer.
der Künstler 1). Die Sage geht noch einen Schritt weiter und macht ihn zum
Sohn oder Enkel des Eupalamos oder Palamaon i), des tüchtigen Handarbeiters:
denn die Kunst ist eine Tochter des Handwerkes. Weniger auf die Kunst, als
auf den Ruhm und die Klugheit des Künstlers bezieht es sich, wenn als Eltern
des Daedalos Euphemos und Phrasimede genannt werden 3). Einer andern
Genealogie liegt offenbar die Absicht zu Grunde, seinen Ruhm mit dem der
herrlichsten Geschlechter zu verbinden, denen Athen die Grundlagen seiner Ver-
fassung und damit seiner Gultur verdankt. Deshalb heisst er Sohn oder Enkel
des Metion, der, wie Eupalamos, Sohn des Erechtheus genannt wird 4); so ferner
Sohn der Merope, einer Tochter desselben Königs, und darum Wieder Vetter
des Theseus 5); endlich Sohn der Alkippe, die wir aus attischen Mythen als
Tochter der Agraulos kennen Allen diesen Abstammungen zufolge ist also
sein Vaterland Athen; und Athen ist auch sonst in der Sage der Ausgangs-
punkt seines Ruhmes 7). Wird er aber daneben ausnahmsweise als Kreter i)
bezeichnet, so erklärt sich dies hinlänglich aus seinem Aufenthalte auf dieser
Insel. Aber sein Ruf war weit verbreitet; und um seine Thätigkeit an so vielen
weit von einander entfernten Orten zu erklären, kam man zu der Annahme,
dass er ein unstätes YVanderleben geführt habe. Was wir darüber erfahren,
hat in den verschiedenen Sagen, wenigstens in den Hauptpunkten, eine feste
übereinstimmende Gestalt angenommen. Die Ausführung in allen Einzelnheiten
ist natürlich für die Kunstgeschichte ohne Bedeutung und kann daher hier über-
gangen werden.
Daedalos muss Athen wegen eines Verbrechens verlassen: er ermordet
seinen Neffen Talos, Kalos oder Perdix, weil dieser durch die Erlindung
des Zirkels und der Säge den Künstlerruhm des Oheims zu verdunkeln drohte 9).
S0 gelangt er nach Kreta, wo er für Minos und zum Verderben desselben für
Pasiphae und Ariadne thätig istlo). Dies zwingt ihn zu neuer Flucht, und er
wendet sich nach Sicilien zum König Kokalos 11), oder erreicht, sei es direkt,
sei es auf einem Umweg über Sardinien 12), Cumae in Gampanien 13), von wo
sich sein Ruf über einen grossen Theil Italiens erstreckte 14). Andere Sagen lassen
ihn aus Kreta wieder nach Athen zurückkehren 15) oder nach seiner Flucht in
Theben und Pisa thätig sein 1G). In keiner Verbindung aber mit der Geschichte
1) Pans. IX, S, 2. 2) Paus. l. 1. Apoll. III, 15, 9. Sohol. Plat. rep. VIII, p. 529. Suidas.
v. JTsTQJLzo; fegdw. Hyg. fab. 244. 274. 3) Schol. Plat. 1. I. Hyg. fab. 39. Serv. ad. Virg.
Aen. VI, 14. 4) Plat. Jo p. 533. Apoll. 1. I. Pans. VII, 4, 5. Diod. IV, 75. SchtJLSoph. Oed.
C01. 463, wo als Mutter Iphinoä genannt wird. 5) Plut. Thes. 15). Ü) Apoll. I. I. 7) Vgl.
Philost. sen. imagg. I, 16. 8) Eust. ad I1. Z 592. (Jrortynius aliger: Auson. Mosella. 301.
9.) Apoll. III, 1, 4: I5, 9. Pans. I, 21, 4; 26, 4; VII, 4. 5. Suid. 1. I. Hygin. fab. 39: 244.
Serv. I. 1. Ueber die mythologische Bedeutung dieser lllrzähluxig vgl. Mercklins Abhandlung
über die lhalossage in den Schriften der Petersburger Akademie 1851. m) Ausser den
angef. Stellen auch PauS. VIII, 53, 8. Strabo X, p. 477. n) Herod. VIII, 170. Phob. Bibl.
p. 135 Bekk. 'I'heon. progynin. p. 1G Heins. Schol. Pind. Nem. IV, 95. Schol. I1. B143.
ELISII. ad I1. P 220, wo den 'I'öchtern des Kokalos fälschlich die lllrmordung des Damedaloß
anstatt des Winos schuldgegeben wird. Ovid. Met. VIII, 1-35) sqq. Hyg. fab. 40; 44.
12) Pans. X, 17, 4. Diod. IV, 30. Serv. ad Virg. Aen. VI, 14: Her-wg. I, 14. I3) Virg.
und Serv.1.I. Sil. Ital. XII. 102. 14) Paus. VII, 4, 7. Die Jalivgier betrachten Daedalos
zllS ihren Stannnvater: Strabo VI, p. 279. Plust. ad Dion. Perieg. 379. Mart. Capell. V1.
1") Plnt. Thes. 19. Hygin. fab. 40. m) S. n. 6 u. 7 seiner Werke und Schol. Arist. Nlll). 508.