Volltext: Die Bildhauer (Bd. 1)

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Bildhauer. 
Zeitraume von mehr als zwanzig Olympiaden. Auch die Statue des Pellichos 
gewährt uns keinen Weiteren Aufschluss. Zwar nennt Thucydides 1) einen Ari- 
steus, Sohn des Pellichos, welcher O1. 86, 2 die Flotte der Korinther gegen 
Gorcyra Efehligte. Allein es ist wohl möglich, aber keineswegs ausgemacht, 
dass der Vater des Aristeus und der von Lucian genannte Feldherr für eine 
 Person zu halten sind. Dürften wir einen gleichnamigen Enkel annehmen, so 
würde dieser etwa in die Zeit zwischen O1. 90-100 fallen, in Welcher Korinth 
und Athen, die Vaterstädte des Feldherrn und des Künstlers gemeinschaftlich 
gegen Lakedaemon kämpften.  Wichtiger ist für uns die Schilderung, welche 
Lucian von dieser Statue entwirft: „Hast Du ihn wohl gesehen, den Dickbauch, 
den Kahlkopf, halb entblösst vom Gewande, einige Haare des Bartes vom Winde 
bewegt, mit ausgeprägten Adern, einem Menschen gleich, wie er leibt und lebt?" 
Hiermit verbinden wir das Urtheil Quintilian's, welcher sagt: im Verhältniss zu 
257 Praxiteles und Lysiiap, welche die veritas, die Wahrheit der Natur, am besten 
erreicht, treffe den Demetrios der Tadel, darin zu weit gegangen zu sein; und 
es sei ihm mehr auf Aehnlichkeit als auf Schönheit angekommen. Nach diesen 
Zeugnissen ist also Demetrios Naturalist in dem Sinne, dass er die Natur in 
allen Einzelnheiten und selbst unschönen Zufälligkeiten treu nachzuahmen strebte. 
Wir dürfen daher wohl eine bestimmte Absicht vermuthen, wenn ihn Lucian 
nicht mit dem gewöhnlichen Ausdrucke dvögiavronandg, sondern dvügzommordg 
nennt. Dass auch das Bild der alten Athenepriesterin, in der Verbindung mit 
diesen Zeugnissen, die durchaus naturalistische Richtung des Künstlers zu be- 
stätigen scheine, hat bereits Lange2) bemerkt.  Demetrios steht in dieser 
Richtung, wenigstens in der athenischen Kunst dieser Epoche, ganz vereinzelt. 
 Es waren also gewiss mehr Eigenschaften seiner eigenen Persönlichkeit, als 
allgemeine Bildungsverhältnisse, auf welchen der Charakter seiner Werke be- 
 ruht. Doch dürfen wir auch den letzteren keineswegs allen Einfluss absprechen. 
Denken wir uns z. B. einen nicht unbegabten, aber durchaus pedantischen 
Künstler den YVerken eines Myron und eines Kallimachos gegenüber, so wird 
er die Naturwahrheit des einen zwar bewundern, aber nicht in ihrem tietern 
Grunde, sondern mehr in ihren Aeusserlichkeiten erfassen: wo aber dort manche 
Einzelnheit vielleicht in der bestimmtesten Absicht untergeordnet, als Neben- 
sache behandelt ist, da wird er diese vermeintliche Vernachlässigung in eigenen 
Werken dadurch vermeiden zu können glauben, dass er dem Kallimachos 
in seiner kein Ende findenden Sorgfalt nachzustreben sich bemüht. Bei dem 
consequenten Gange, in welchem sich die Entwickelung; der griechischen Kunst 
bewegt, konnte jedoch ein einseitiges, selbst mit Talent durchgeführtes Streben, 
wenn es jenem allgemeinen Gange nicht entsprach, keinen weitergreifenden 
Einfluss gewinnen; und_ deshalb bleibt, wie gesagt, der Naturalismus des De- 
metrios eine vereinzelte Erscheinung in dieser Epoche. 
Nach der Angabe von Pittakis 3) soll in der Nähe der Propylaeen eine 
Ehrenbasis mit dein Namen des Demetrios gefunden worden sein: 
Zll 
Lanzi 
Sculptur 
der 
Alten 
m 
Februar, 
1839,
	        
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