Kunst
griechische
Die
ihrer
höchsten
geistigen
Enlwick elun g_
177
des Kallimachos zwar anschliessen, sich aber auf diesen nicht mehr beziehen.
Den Leuchter für das Erechtheum aber wird Kallimachos etwa zur Zeit der
Vollendung dieses Gebäudes, gegen Ol. 93 gemacht haben. Wenn in dieselbe
Zeit die Erfindung des korinthischen Kapitäls fällt, so verträgt sich damit die
erste sichere Erwähnung von Säulen dieser Ordnung sehr wohl. Denn sie be-
zieht sich auf den Tempel der Athene in Tegea, welchen Skopas erbaute, nach-
dem der alte Ol. 96, 2 abgebrannt war 1). Diese Bestimmungen hat man jedoch
durch die Bemerkung umzustossen gemeint, dass ein korinthisches Kapitäl am
Tempel von Phigalia gefunden sei, als dessen Architekten Pausanias den Iktinos,
den Erbauer des Parthenon, nennt. Indessen, dieses Kapital steht vereinzelt,
könnte möglicher Weise einer späteren Restauration angehören, und ist nicht
einmal eigentlich korinthisch, sondern von einer Mischgattung, die allenfalls
der reinen Ausbildung vorangegangen sein könnte. In dieser aber, in der Be-
stimmung der rationes Corinthii generis, müssen wir nach Vitruv das Verdienst
des Kallimachos erkennen, während wir die Veranlassung seiner Erfindung, das
Geschichtchen von dem korinthischen Mädchen, gern der poetischen Sage anheim-
geben können. Uebrigens hindert uns nichts, die künstlerische Laufbahn des
Kallimachos, auch wenn er noch nach Ol. 93 thätig war, schon zur Zeit des
lktinos beginnen zu lassen, der etwa nach Vollendung des Parthenon, als Phi-
dias in Olympia beschäftigt war, den Bau des Tempels in Phigalia leiten konnte.
Ja wir sind zu dieser Annahme fast gezwungen, wenn wir bei Dionys von Ha-
likarnass 2) den Kallimachos mit Kalamis auf eine Linie rijg Äenränyrog ävsxa
xat njg xtigirog gestellt finden. Dem Kalamis, als einem älteren Zeitgenossen
des Phidias, steht archaische Zierlichkeit und Grazie noch wohl an. Eine ihm
verwandte Richtung konnte sich aber im Zeitalter des Phidias höchstens noch 253
etwa durch eine Generation erhalten, und muss selbst da, wie wir das Gleiche
an den Zeitgenossen eines Raphael und Leonardo erfahren, schon als eine Ab-.
sonderlichkeit erscheinen, die nicht von allem Tadel freizusprechen ist.
Den Uebergang zu einer Beurtheilung des Kallimachos bilden wir durch
folgende Worte des Pausanias 3): „Obwohl er in der eigentlichen Kunst (äg aüniv
rriv räxvryv) den Künstlern des ersten Ranges nachsteht, so überragt er doch alle
dermassen an Kunstfertigkeit (ungute), dass er erfand, Steine zu bohren, und
sich den Namen xararnEt-rexvog gab, oder nachdem andere ihm denselben bei-
gelegt, für sich annahm." Wir erfahren hier zunächst von einer zweiten Er-
iindung des Kallimachos, an der man nicht weniger, als an der früher erwähnten
hat zweifeln wollen, da man bereits an den aeginetischen Giebelstatuen Spuren
des Bohrers bemerkt zu haben glaubt. Aber, wie fast immer bei den Nach-
richten dieser Art, werden wir auch hier nicht nothwendig an die erste Er-
Endung, sondern eher an eine wesentliche Vervollkommnung derselben, sei es
des Instrumentes selbst, sei es seiner Anwendung, zu denken haben. Man be-
achte z. B. nur den Unterschied, den es macht, ob der Künstler im Stande ist,
nur einzelne Löcher, oder auch Gange zu bohren, welche sich durch die Wellen
des Haares, die Falten der Gewänder in langen Linien fortsetzen: einen Unter-
schied, dessen Bedeutung bei einer Vergleichung des korinthischen Kapitals
1) Paus. VIII, 45, 4-5. 9) de Isocr.
Brunn, Geschichte der griechischen Künstler.