Volltext: Die Bildhauer (Bd. 1)

Bildhauer. 
Dionysos. Vielmehr glaube ich, dass der eine zeigen sollte, wie weit ein jugend- 
licher Körper kräftig sein konnte, ohne plump und roh, der andere, wie weich 
und zart, ohne wveichlich oder weibisch zu erscheinen. Die beiden Figuren be- 
zeichneten also gewissermassen die Grenzen, innerhalb welcher sich die Idealität 
der Körperbildung bewegen durfte. Als einen Beleg für diese Auffassung darf 
ich wohl die noch erhaltenen Nachbildungen des Diadumenos anführen, welche 
uns einen jugendlichen Körper, allerdings nicht von einer vorzugsweise kräftigen 
Entwickelung, aber auch weit entfernt von aller Verweichlichung zeigen. Dem- 
nach wird es mir auch erlaubt sein, an der Welckefschen Deutung des Artemon 
Periphoretos zu zweifeln, derzufolge er das Charakterbild eines liederlichen Men- 
schen mit Ohrgehängen und Sonnenschirm, also mit ganz weibischen Attri- 
buten, im Gegensatz zum Herakles Ageter, gewissermassen dem Urbilde des 
223 Kriegsrnannes, sein soll. Denn abgesehen von der Zusammenstellung des He- 
rakles mit Artemon, für welche mir, da Beide bestimmte Persönlichkeiten sind, 
jener abstracte Gegensatz kein hinlängliches Motiv zu gewähren scheint, würde 
eine Darstellung des Artemon in der vorausgesetzten YVeise, mit dem an P0- 
lyklet gerühmten und durch seine Werke bestätigten decor schwer in Einklang 
zu bringen sein: An vero statuarum artiiices pictoresque clarissimi, cum corpora 
quam speciosissima fingendo pingendoque efficere cuperent, numquam in hunc 
 inciderunt errorem, ut Bagoam aut Megabyzum aliquem in exemplum operis 
sumerent sibi, sed doryphorum illum aptum vel militiae vel palaestrae; aliorurn 
quoque iuvenum bellicosorum et athletarum corpora decora vere existimaverunt.  .1) 
WVir bleiben daher bei unserer Ansicht, dem Polyklet ein ausschliessliches 
Streben nach der reinsten, von Uebermaass der Kraft, wie von Weichlichkeit 
gleich entfernten Schönheit beizulegen. Sogar in seinen weiblichen Bildern 
scheint sich dasselbe Streben kundzuthun. Venustas, welche Cicero an den 
von Verres geraubten Kanephoren rühmt, bezeichnet nach demselben Gewahrs- 
mann 2) die besondere Art weiblicher Schönheit, welche der clignitas bei Män- 
nern entspricht. Aber selbst wenn Gicero mit seinem Lobe nicht gerade ein 
scharf abgegrenztes Kunsturtheil aussprechen wollte, so bietet uns schon der 
dargestellte Gegenstand für unsere Auffassung hinreichende Winke dar. Es 
waren Jungfrauen, die mit erhobenen Händen auf ihrem Haupte heiliges Ge- 
räth trugen. Diese Handlung verlangt an sich selbst die abgemessenste Haltung 
und Bewegung. Die Trägerinnen müssen sich, wie die Karyatiden, die so zu 
sagen, selbst zur Säule werden, den mechanischen Gesetzen unterordnen, und, 
um denselben zu genügen, auch körperlich zum Tragen geschickt, nicht zu 
zart und zu schwächlich erscheinen.  Noch bezeichnender ist es, das Polyklet 
mit einer Amazone den Preis, sogar über Phidias, davontrug. Denn konnte es 
wohl in der weiblichen Welt einen passenderen Gegenstand geben, um ihn dem 
Doryphoros an die Seite zu stellen, als eine Amazone, eine jugendliche Gestalt 
in der vollsten Entwickelung ihrer Kraft, und geschickt zu allem Waffendienst? 
229 Also überall finden wir bei Polyklet Darstellungen, welche die reinste körper- 
liche Schönheit in durchaus selbstständiger Weise zu entfalten erlauben, nicht 
dieselbe einer rein geistigen Idee Linterzuordnen verlangen. Wie aber? das 
Quinfil.
	        
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