Einleitung.
mit ihrem Namen bezeichnet haben, wohl ziemlich ohne Ausnahme als Kunst-
werke und daher sie selbst als Künstler anerkennen. Allein in mehreren Be-
ziehungen unterscheiden sie sich Wesentlich von der übrigen Masse der Künstler.
Wir haben gegründete Ursache, die Originalität in einem Hauptpunkte, der
Erfindung, in weitaus den meisten Fällen ihnen abzusprechen. Vielmehr müssen
Vvil" fast immer, WO darüber ein Zweifel sein sollte, von der Voraussetzung aus-
gehen, daSS Sie 11118 mehr oder minder freie Nachbildungen umfangreicherer
Werke liefern- Daraus ergiebt sich aber, dass diese Kunstzweige Selbständig-
keit 11111" in der Technik besitzen, in allem Uebrigen aber von der sonstigen
Entwißkelung de? Kunst abhängig" sind, sich ihr anschliessen, ihr folgen, nicht
aber selbstthätig' in dieselbe eingreifen. Dass sie zum grössten Theil dem Luxus
des Privatlebens dienten, und vielleicht mehr, als wir bis jetzt nur ahnen, der
Mode unterworfen waren, soll hier noch gar nicht in Anschlag gebracht werden.
Dagegen müssen wir grossen Nachdruck darauf legen, dass wir die Namen
4188er Künstler mit geringen Ausnahmen einzig durch die Aufschriften ihrer
Werke kennen, wie der Zufall diese uns gerade erhalten hat, ohne Zusammen-
hang irgend einer Art. Die Literatur bietet uns über sie nur äusserst spär-
liche und gleichfalls durchaus vereinzelte Nachrichten. Wir entbehren also hier
die Thatsachen für die äussere Geschichte, die Angaben über Zeit, Vaterland,
Schule, so weit sie auf schriftlicher Ueberlieferung beruhen. Wir entbehren
die Urtheile der Alten über die künstlerischen Eigenthümlichkeiten, das Ver-
dienst des Einzelnen im Verhältniss zum Andern. Wir vermögen selbst aus
den Werken über die höchste geistige Befähigung, das poetisch-künstlerische
Schaffen, uns kein Urtheil zu bilden. Es fehlen uns also gerade alle die Ele-
mente, aus denen wir vorzugsweise die Geschichte der übrigen Künstler zu
entwickeln haben. Vielmehr müssen alle Thatsachen erst aus der Geschichte
der betreffenden Denkmälerklassen gewonnen werden. Ueber die Münzstenipel-
Schneider ist zunächst nur der Numisrnatiker von Fach zu urtheilen befugt.
Die Gemmenschneider verlangen eine von allgemeinem Kunstverständniss g-anz
unabhängige Bekanntschaft mit allem Detail der Bearbeitung geschnittener
Steine. Bei den Vasenmalern ist aber an eine Geschichte so lange nicht zu
denken, als die ersten Fundamentalsätze für eine Geschichte der Vasen über-
haupt noch nicht gegen jeden Zweifel festgestellt sind. Bei jeder dieser Künstler-
klassen sind also ganz besondere und eigenthümliche Vorkenntnisse und im
Zusammenhange damit eine eigenthümliche Methode der Behandlung; nöthig.
Was aber schliesslich auf diese Weise gewonnen wird, bildet nicht einmal die
Grundlage für die Geschichte der betreffenden Denkmälerklassen, sondern nur
eineErgänzung derselben, steht also mit dem, was die Geschichte der tibrigen
Künstler leisten soll, durchaus nicht auf gleicher Linie.
Ich glaube, dass es hiernach nicht nur erlaubt, sondern durchaus richtig
wäre, diese untergeordneten Klassen von Künstlern von dem Plane der gegen-
wärtigen Arbeit gänzlich auszuschliessen. Doch würde diese Beschränkung
Vom Standpunkt der praktischen Nützlichkeit sicher angefochten werden: man
würde einwenden, dass vor allen Dingen ein vollständiger Ueberblick über das
gesammte Material der Künstlergeschichte nöthig sei, und darum selbst das an
sich Unbedeutendere nicht gänzlich mit Stillschweigen übergangen werden dürfe.