Die
griechische
Kunst
ihrer
höc]
geistigen
lstexl
Entwickelung.
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keit des Bildhauers zu deuten. Der Gegenstand passt indessen besser für ein
Gemälde, als für eine Statue; und dazu kommt, dass Polyklet hier Thasier
genannt wird, wodurch wir berechtigt werden, den Namen des Polyg-not an
Seine Stelle zu setzen. Nach Beseitigung dieser Angaben wird endlich die An-
nahme gestattet sein, dass auch in einem Gedichte des Gregor von Nazianz
(in Tolii ltin. ltal. p. 66) der Name des Polyklet nur aus Versehen zwischen
Ualern angeführt wird.
Vielfältige Zeugnisse des Alterthums kommen uns zu Hülfe, um ein klares
Bild von dem Verdienste des Künstlers zu entwerfen. Freilich fühlen wir auch
hier die Lückenhaftigkeit, mit der die Nachrichten der Alten auf uns gekommen
sind. So, um bei der Technik lzu beginnen, sagt uns Plinius 1), dass Polyklet
des delischen Erzes sich bediente, während llIyron dem aeginetischen Erze den
Vorzug gab. Aber schon bei Myron haben wir bemerken müssen, dass uns
diese Nachricht von keinem Nutzen ist, weil wir die Unterschiede beider Erz-
mischungen nicht kennen. Mehr lernen wir durch die Nachricht des Plinius
über die Toreutik des Polyklet, namentlich da sie mit einer andern über das
Verdienst des Phidias in diesem Kunstzweige im engsten Zusammenhange steht.
Denn wie dieser die Kunst der Toreutik zuerst offenbar gemacht und gezeigt 218
habe, was sie leisten solle (primus artem toreuticen aperuisse atque demon-
strasse merito iudicatur: 34, so habe Polyklet diese Wissenschaft zur Voll-
kommenheit erhoben und die Toreutik so durchgebildet, wie Phidias begründet
(hic consumrnasse hanc scientiam iudicatur et toreuticen sic erudisse ut Phi-
dias aperuisse: 56) 9) Hier handelt es sich also um eine regelmässige Ent-
wickelung unter wenigstens äusserlich sehr verwandten Umständen. Wir wissen,
dass Polyklet, wie Phidias, sich mit der speciell sogenannten Toreutik, der Cisel-
lirung edler Metalle für Werke kleinen Umfanges abgab. Mochten auch Arbeiten
dieser Art von Beiden mehr als eine Unterhaltung, als eine Erholung betrachtet
werden, so dienten sie doch zugleich als Vorübung für die Durchführung des
Einzelnen an den umfangreicheren Bronzewerken. Denn zu der letzten Voll-
endung nach dem Gusse genügte nicht mehr die künstlerische Genialität, son-
dern war eine Menge von Fertigkeiten und Handgriffen erforderlich, wie sie
nur durch lange Erfahrungen gesammelt werden können. Gerade daraus er-
klärt sich, wie hier dem Polyklet auch nach den Leistungen eines Phidias noch
ein Fortschritt möglich war. Ganz dasselbe scheint von der Kunst der Arbeit
in Gold und Elfenbein zu gelten, die freilich nicht mit der Toreutik zu ver-
wechseln ist, aber doch in vielen Einzelnheiten ihr verwandt war. Auch in ihr
werden von Strabo 3) die Werke des Polyklet in Rücksicht auf räxvr], künst-
lerische Ausführung, über die des Phidias gesetzt, wobei freilich nicht sicher
zu entscheiden ist, ob das Lob ihrer grösseren Schönheit auf die blosse Technik,
oder allgemeiner auch auf vollendetere formelle Durchbildung zu beziehen ist.
Was nun diesen formellen Theil der Kunstübung betrifft, so weit er auf
der Kenntniss der darzustellenden Gestalt beruht, so haben wir gesehen, dass
er bei Phidias gänzlich dem poetischen, idealen Schaffen untergeordnet war.
Anders bei Polyklet. Bei ihm hat die formelle Behandlung der Körper nicht
Jahn in
sächs.
Gesellsch.
1850,
129.
VIII,
372.