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Die
Bildhauer.
wie bei den vorhergehenden und nachfolgenden Werken, eine laestimmte Hand-
216 lung näher bezeichnet wird, kann nicht auffallen, da der Kanon wirklich, wenn
auch im besten Sinne, nur eine Art akademischer Figur gewesen zu sein scheint.
Doch hiervon weiter unten. Hier sei zunächst nur erwähnt, dass Polyklet die
Regeln, welche er im Kanon praktisch angewendet, auch theoretisch in einer
Schrift auseinandergesetzt hatte. Daraus erklärt sich vielleicht, dass Tzetzes
(Chil. VIII, 191) den Polyklet auch zum Maler machen will, indem er durch
ein Misverständniss ygdqietv, schreiben, mit Ljmygaqwafv, malen, verwechselte.
Ferner nennt Plinius (I.
„destringentem se", einen Athleten, der sich von dem Staube der
Palaestra reinigt; also einen drmifizoyevog (vgl. Plin. 34, G2): „nudu m talo
incessentem", was man fälschlich von einem Würfelspieler verstanden hat.
Müller dagegen (Hdb. 120, 2) übersetzt richtig talo incessere in das Grie-
chische zurück mit drronrsgvigatv (vgl. Jacobs zu Philostr. p. 435). Die Figur
stellte demnach einen Ringer dar, der seine Kunst besonders in der Anwendung
der Ferse zu zeigen suchte.
Zwei Knaben, ebenfalls nackt, die mit Würfeln spielten und deshalb
unter dem Namen Astragalizontes bekannt waren. Sie standen zu Plinius Zeit
„in atrio imperatoris Titi", und wurden von Manchen für das vollendetste Werk
des Alterthums gehalten.
Zwei Kanephoren aus Erz erwähnte Gicero in seinen Reden gegen
Verres: IV, c. 3, i 5, Dieser hatte sie dem Mamertiner Heius geraubt. Sie
waren nicht gross, aber von vorzüglicher Schönheit in jungfräulicher Haltung
und Kleidung und trugen nach athenischem Gebrauche heilige Geräthe mit
erhobenen Händen auf ihren Häuptern.
Dass Polyklet auch in der Toreutik ausgezeichnet War, erfahren wir
durch Plinius (s. unten) und Martial (VIII, 50). Die Anspielungen dagegen bei
Juvenal (III, 217; VIII, 102) sind nicht nothwendig auf Toreumata im engeren
Sinne zu beziehen. Noch Weniger ist aber bei Athenaeus (V, p. 206 E) von
einem Toreuten Polyklet die Rede, der noch dazu 'von dem Argiver unter
schieden werden müsste, sondern von dem Geschichtsschreiber dieses Namens
aus Larissa.
Endlich war Polyklet auch Architekt. Er hatte das Theater und Rund-
217 gebäude (Odeum) neben dem Tempel des Asklepios zu Epidauros gebaut. Pau-
sanias äussert sich darüber folgendermassen (II, 27, 5): „Die römischen Theater
mögen sich vor dem des Polyklet wohl durch den allerwärts angebrachten
Schmuck, das der Arkader in Megalopolis durch seine Grösse vor ihm aus-
zeichnen. Welcher Architekt aber wäre im Stande, gegen Polyklet hinsichtlich
der Harmonie oder der Schönheit in die Schranken zu treten 14'"
Sämmtlich verdächtig sind die Nachrichten, die von Polyklet als Maler
reden. Ein Missverständniss des Tzetzes ist bereits erwähnt worden. Ein Epi-
gramm des Pollianus (Anall. II, p. 4-40, n. 5) legt ihm ein Gemälde der Polyxena
bei: gerade diesen Gegenstand hatte aber Polygnot behandelt. Ein anderes
Epigramm des Tullius Geminus (Anall. II, p. 279, n. 3) handelt von einer
Darstellung des noch in der Unterwelt vom Blitze des Zeus heimgesuchten
Salmoneus. Hier scheint allerdings der Ausdruck X819 xctizsv auf die Thätig-