griechische
Kunst
rhsten
geistigen
Entwickelun v.
C)
1411
dem einen Theile, welcher Träger der Idee ist, alle übrigen Formen nach den
Organischen, nothwendigen Gesetzen der Natur hinzubilden. So hat man wohl
Sagen können, der Künstler gehe bei der Idealbildting über die Natur, nemlich
die gewöhnliche Natur hinaus; in der That aber zeigt er uns nur die Natur in
ihrer reinsten und vollkommensten Wirksamkeit, die Naturkraft in ihrem Schaffen 200
nach einem höheren, in sich nothwendigen Gesetze. Es mag vielleicht scheinen,
dass bei dieser Betrachtungsweise der künstlerischen Freiheit, der Begeisterung,
dem freien Walten des Genius zu geringe Rechnung getragen, dem Wissen
und dem Erkennen der Bildungsgesetze eine zu hohe Bedeutung beigelegt sei.
Allerdings ist die Freiheit bedingt durch die ewigen Gesetze der Natur. Aller-
dings wird die Kenntniss dieser Gesetze als das Erste und Nothwendigste vor-
ausgesetzt. Aber „das Werk des Künstlers soll nicht von diesem Wissen, sondern
von dem urkräftigen Walten eines in sich sicheren, das Gesetz der Kunst nicht
als ein Aeusseres b efol gend en, sondern als ein Inneres erfüllenden Geistes
zeugen Der Künstler soll nicht sein Werk nach den Gesetzen construiren,
sondern indem dieselben in seinem Geiste ruhen, sollen sie ihn beim Schaffen
des Werkes so leiten, dass dasselbe eine höhere innere Wahrheit habe, nichts
Willkürliches, sondern etwas seiner Natur nach Nothwendiges sei. Der Genius
aber wird sich zeigen in der Schärfe, in der Hoheit, mit welcher er die Grund-
idee findet, erfasst, ihr Form giebt, sie organisch in allen Theilen und im
Ganzen harmonisch durchbildet. Die Göttlichkeit der Kunst wird sich gerade
dadurch bewähren, dass sie uns nicht menschliche Satzungen und Willkür, son-
dern das strenge Walten des höheren göttlichen Gesetzes in ihren Schöpfungen
zur Anschauung bringt.
YVir kehren endlich wieder zu Phidias zurück, den wir scheinbar ganz
aus den Augen verloren hatten. Allein bekennen wir es nur, Phidias selbst
hat uns den Weg vorgezeichnet, den wir in unserer Erörterung eingeschlagen
haben. Man erzählt, dass ihm die Frage vorgelegt worden sei, nach welchem
Muster (nagotöetytta) er den Zeus in Olympia bilden wolleg). Was antwortet
nun Phidias? Etwa, wie Philostratus 3) meint, er stelle sich vor den Zeus Süv
01590416; mi (ägatg xat dorgotg? Nein er verweist auf die Worte des Homer 4):
17 xoci xvaväyjozv äif öqvgüaß vsüae Kpoviwv,
ciyßgöößccb (Yägcc Xafrcu, änsppc-iaavro dvaxrog
xgardg dvf däavdruto, giäyav ö" äÄäluSsv Ülvimuv.
Diese Worte aber geben nicht ein Bild von der Gewalt des Zeus in allgemeinen
Zügen, sondern sie bieten etwas ganz Concretes. Der Dichter nennt ganz be-
stimmt die Augenbraunen und das Haupthaar. Das Erheben des Olymp, in
welchem uns allerdings die Idee von der Macht des Zeus in ihrer ganzen Hoheit
vor die Seele tritt, ist nur die Wirkung der Bewegung jener Theile, durch
welche er seinen Willen kund thut. Eigvjaäczr. ydp LucZÄa öoxsf xaÄc5g' äx rs
1'051: SJÄÄc-Jv Mai rcäv Örpgücav npoxalai rlfv özdvonav Ö notrjnjg dvagcoygocqsfu yäyav
201
1) E. Müller Gesch. d. Theorie d. Kunst I,
III, 7, ext. 4. Dio Chrys. XII, p. 200 ed Blorelli.
Kayser. 4) Iliad. A, 528.
S. 2.
Macrob
VIII,
3) vit.
p. 354. Valer. Max.
Apollon. VI, p. 118