Volltext: Die Bildhauer (Bd. 1)

Die 
griechische Kunst in 
ihrer 
geistigen 
Schsten 
Entwickehn 
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um wie viel beschränkter hier die Mittel der Farben selbst im Verhaltniss zur 
Clamalig-en Malerei waren, um so viel mehr musste zur Erreichung des be- 
absichtigten Zweckes der feinsten Berechnung des Künstlers überlassen werden, 
Welche zwar nicht die selbstständige Ausübung der Malerei, wohl aber die ge- 197 
naueste Kenntniss ihrer Principien und Gesetze voraussetzte. 
Alle diese bisher behandelten Gesichtspunkte können jedoch für die Be- 
urtheilung eines Kunstwerkes nicht die hohe Bedeutung haben, welche wir der 
dargelegten Kenntniss der darzustellenden Gestalt, also vor allem des mensch- 
lichen Körpers, beilegen müssen. Hier kann es nun auffallen, dass über die 
Verdienste des Phidias in dieser Beziehung so gut wie nichts ausdrücklich ge- 
meldet wird, während man bei anderen Künstlern gewisse Verdienste, um Sym- 
metrie, Proportionen und Aehnliches, im Einzelnen hervorhebt. YVir dürfen 
uns dies auf folgende WVeise erklären: in jenen bestimmt abgegrenzten Lob- 
Sprüchen liegt es eingeschlossen, dass die betreffenden Künstler in der Dar- 
stellung der Dinge ihre Aufmerksamkeit vorzugsweise auf eine bestimmte for- 
melle Richtung lenkten. Bei Phidias fand sich eine solche, übrigens oft sehr 
Verdienstvolle Einseitigkeit nicht. Ihm war die Darstellung des Körpers einem 
rein formellen Gesetze untergeordnet. Schönheit der Form erstrebte freilich 
Phidias gewiss nicht minder, als irgend ein anderer Künstler; im letzten Grunde 
aber war sie bei ihm nur der Ausfluss seiner poetischen, seiner idealen Richtung. 
Dieses Wort Ideal schliesst das höchste Verdienst des Phidias ein, he- 
zeichnet allein den gewaltigen Umschwung, den ein Phidias in der gesammten 
griechischen Kunst hervorzurufen vermochte. Diesen höchsten Begriff der Kunst 
in der möglichsten Schärfe zu erfassen, ist also zur Beurtheilung nicht blos des 
Phidias, sondern der gesammten ferneren Entwickelung der griechischen Kunst 
von der höchsten Wichtigkeit. 
Die Alten scheinen sich von dieser Art des künstlerischen Schaffens nicht 
immer einen hinlänglich klaren Begriff gemacht zu haben. In einer Glosse des 
Suidas 1) wird gesagt, Phidias habe äväouotoiu seine Werke geschaffen. Philo- 
stratus 2) spricht von der Thätigkeit der Phantasie bei der Kunst eines Phidias 
im Gegensatz zur rein mimetischen Darstellungsweise. Phantasie und Enthu- 
siasmus oder poetische Begeisterung sind allerdings für das künstlerische Schaffen  
von sehr hoher Bedeutung, allein zur Bildung eines Ideals können sie allein 198 
nicht genügen, sie sind lediglich subjectiv. Schon bestimmter äussert sich 
Gicero 3), indem er sagt: Phidias habe seinen Zeus nicht irgend einem einzelnen 
Menschen nachgebildet, sondern in seinem Geiste habe irgend ein vorzügliches 
Bild der Schönheit geruht, welches er angeschaut, in welches er sich versenkt 
1) "Izämußog ücTQÖg. 2) Vit. Apollon. p. 118 Kayser. 3) Or. 3, 10. Nec vero ille artifex, 
cum faceret Iovis furmam aut lNIinervae, (zontemplabzltur aIiqueIn e quo similitudinem du- 
ceret, sed ipsius in mente insitlebat spccies pulchritudinis eximia quaedanl, quam intuens 
in eaque deüxus ad illius similitmldineln a-rtem et manum (lirigebat. Ut igitur in formis et. 
üguris est aliquid perfectum et excellens, cuius ad cogitatam specieln imitando refcruntur 
ea quae sub oculos ipsa cadunt, sie perfectac eloquentiae speciem animo videmus, efügiem 
auribus quaerixxxmls. Harum rerum fonnas appellab ideas ille nun intellogelzdi soluln, sed 
etiam dicendi gravissinms auctor et magister, Plato; easque gigni Ilegat et ait semper esse 
ac rat-ione et intellegentia contineri, cetera. naSCi. occidere, i-luere, labi, nec diutius esse uno 
et eodem statu. (Juidmluinl est igitur de quo ratione et via disputetur, id est ad ultimam 
sui generis fonnaln specielnquo redigendunl.
	        
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