Volltext: Die Bildhauer (Bd. 1)

griechische 
Die 
Kunst- in 
ihrer 
geistigen 
höchsten 
Entwickelung. 
185 
Verhältniss, welches in dieser Beziehung zwischen Erfindung und Ausführung 
stattfand, nur sehr ungenügend unterrichtet. Einen Vergleichungspunkt bieten 
die Figuren am Fries des Erechtheum. Sie sind zufolge der theilweise noch 
erhaltenen Rechnung einzeln von sonst unbekannten Künstlern ausgeführtl). 
YVir müssen also der Einheit des Werkes wegen nothwendig eine einheitliche 
Leitung voraussetzen, durch welche der Entwurf des Ganzen vorgezeichnet war. 
Jene Marmorarbeiter höheren Ranges liehen dem ertindenden Künstler zunächst 
nur ihre Hand. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass den vorzüglichsten unter 
ihnen in der Modellirung und Ausführung des Einzelnen eine gewisse Freiheit 
und Selbstständigkeit gewährt war; andererseits aber eben so wenig, dass der 
eigentliche Urheber des Ganzen zuweilen noch selbst die letzte Feile anleg-te, 
um die volle Harmonie aller Theile herzustellen. In ähnlicher Weise, wie die 
Sculpturen des Erechtheum werden auch die des Parthenon entstanden sein, 
und zwar so, dass die Ertindung des Ganzen dem Phidias zuzuschreiben ist. 
Die Ausführung mochte er seinen Vorzüglichsten Schülern anvertrauen, einem 
Alkamenes, der z. B. in Olympia den einen Tempelgiebel mit Statuen schmückte; 
oder einem Agorakritos, der zu seinem Lehrer in einem noch engeren Verhält- 
nisse gestanden zu haben scheint. Dass sie nicht ausdrücklich diesem oder 
einem seiner Mitschüler zugeschrieben werden, mag darin seinen Grund haben, 
dass ihm nicht der Ruhm der Erfindung gebührt; dass sie dagegen auch nicht 
speciell Werke des Phidias genannt Werden, erklärt sich ebenso daraus, dass 
dieser, WO er die Arbeit in sicheren Händen wusste, und noch dazu stets unter 
Augen hatte, an der Ausführung so gut wie keinen Antheil hatte. Wollten wir 
daher ihren Ursprung richtig bezeichnen, so würden wir sie kaum anders, als 
XVerke aus der iVerkstatt des Phidias, nennen können. So erklärt sich auch, 
wie die Nemesis zu Rhamnus, die Göttermutter in Athen von den Einen dem 
Phidias, von den Anderen dem Agorakritos beigelegt wird. Sie mochten eben 
von Agorakritos in der Werkstatt des Phidias gearbeitet sein, ohne dass dieser 
einen anderen Antheil daran hatte, als dem Agorakritos mit seinem Rathe zur 
Seite gestanden zu haben, während die Besitzer natürlich dem berühmteren 
Namen den Vorzug gaben. 
Anders ist das Verhältniss bei den Werken in Erz. Hier ist die feine 
Durchbildung des Modells vor dem Gusse von weit höherer Bedeutung, als bei 
illarmorwerken. Fremde Hülfe ist dabei in weit geringerem Maasse möglich 
und selbst weniger nöthig, da es sich nicht, wie bei der Ausführung in Marmor, 
um Zeitersparniss für den Meister handelt. Darum haben wir denn in dieser 
Kunstgattung weniger schwankende Angaben; vielmehr wird eine bedeutende 
Anzahl von Erzwerken dem Phidias einzig und allein zugeschrieben. Wie weit 
er auch mit dem Gusse selbst zu thun gehabt, wird uns nicht berichtet; ebenso 
wenig, ob er, wie Polyklet und Myron, einer bestimmten Erzgattung; den Vor- 
zug vor anderen gegeben habe. Wenn man angenommen hat, die rhetorische 
Beschreibung der lemnischen Athene, deren Wangen mit Röthe übergossen seien, 
deute auf eine künstliche Erzmischung, so ist dies gewiss eine zu gewagte An- 
nahme. Denn mit der verschiedenen Farbe scharf abgegränzter Theile, wie der 
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Ann. 
de11' 
Inst. 
1842,
	        
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