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Bildhauer.
Richtungen abgegrenzt sind, genügen oft Wenige Andeutungen, um diesen be-
stimmten Charakter zu erkennen, gewisse Eigenthümlichkeiten selbst von einiger-
massen verwandten Erscheinungen zu unterscheiden. Phidias dagegen gilt im
Alterthum vielfach als der Repräsentant künstlerischer Vollkommenheit über-
haupt, und es muss daher häufig zweifelhaft erscheinen, welchen besonderen
Werth wir den Urtheilen über ihn, namentlich in Rücksicht auf seine Zeit-
genossen und Nachfolger, beilegen sollen, damit er uns nicht, so zu sagen, als
das Symbol der griechischen Kunst, sondern als eine bestimmte, individuelle
Gestalt vor Augen trete.
Um zu diesem Ziele zu gelangen, werden wir am besten thun, die all-
gemeine Eintheilung zu Grunde zu legen, in welche Schorn 1) die Thätigkeit
des Künstlers überhaupt zerlegt. Die höchste Bestimmung eines Kunstwerkes
ist danach lebendige Darstellung einer Idee, die von dem Geiste des Künstlers
190 als freie Poesie erfasst wird; aber wie in der Dicht- und Tonkunst durch YVort
und Ton, so spricht sich diese Idee in der bildenden Kunst durch eine Gestalt
aus, deren Darstellung ein bestimmtes Wissen, eine Kenntniss der Formen der-
selben voraussetzt; und damit beides in die Wirklichkeit trete, bedarf es eines
Stoffes, an welchem die Gestalt als Trägerin der Idee zur Anschauung gebracht
wird, und dessen Behandlung zu diesem Zwecke den "technischen Theil der
künstlerischen Thätigkeit ausmacht. Diese Thätigkeit gliedert sich also in eine
poetische, eine formelle, d. h. auf der Kenntniss der Form beruhende, und eine
technische; und wir werden demnach den Phidias unter diesen drei Gesichts-
punkten zu betrachten haben, nur dass wir in aufsteigender Ordnung zuerst
von dem letzteren, von der Technik, handeln.
Schon in dieser zeigt sich das Umfassende des Phidias. Er beherrscht
in technischer Beziehung die verschiedenen Gebiete der Kunst sämmtlich, wenn
er auch nicht auf allen eine gleiche Thätigkeit entwickelt 2). Wir Wissen nichts
von selbstständigen Bauten. Aber mag auch die Aufsicht über den Bau des
Parthenon mit dem speciell architektonischen Detail nichts zu thun gehabt
haben, so verlangt sograr ein Theil der statuarischen Werke, die Errichtung der
Kolosse von Gold und Elfenbein, des Zeus, der Athene, eine genaue Kenntniss
gerade des Mechanischen und des Technischen in der Architektur. Die Malerei
übte Phidias freilich nur in seiner Jugend selbst aus. Wo sie später zur Ver-
herrlichung seiner Werke sich nothwendig oder vortheilhaft erwies, scheint er
die Ausführung stets seinem Neffen Panaenos tibertragen zu haben. Aber auch
nur eines solchen Künstlers sich nützlich zu bedienen, setzt schon eigene Ein-
sicht und Erfahrung voraus. Gehen wir nun zur Sculptur und Plastik, dem
eigentlichen Felde der Thätigkeit des Phidias, über, so dürfen wir nicht über-
sehen, dass die Werke in Marmor der Zahl nach sehr gering sind: es werden
angeführt zwei Bilder der Aphrodite, ein Hermes, ein Akrolith der Athene. Hier
aber werden wir nothwendig in Betracht ziehen müssen, wie Viel Wohl an Marmor-
191 werken unter seiner Leitung ausgeführt sein mag. Leider sind wir über das
Golföy i-Hl-ovgyö; Aristot. Ethic. elf
UN; Dion. Hal. de Dinarcho. m2
Chil. VIII, 192, v. 328.
1) Studien, S. 3 flgdd. 2)
häßoSöoz Hesych. I1, p. 1506. 7M
zu), ylüqzuv d'i- zrcl Eefwv Tzetzes
Nicom. VI, 7. TIJELÜI'I4L'
, ,
(wägmvrze; grelzovgyzuv