Bildhauer
Eine dritte Epoche des Phidias wird uns endlich durch seinen Aufenthalt
in Elis bezeichnet. Hier handelt es sich um die Darstellung des olympischen
Zeus in aller seiner Macht und Herrlichkeit, eines in demselben Sinne speciiisch
hellenischen ldeales, wie Athene ein attisches war. Sein dortiges Auftreten
scheint nicht weniger glänzend gewesen zu sein, als in Athen. Er kam nicht
allein, sondern mit einer Reihe seiner vorzüglichsten Schülerl), so dass die
attische Kunst plötzlich dorthin versetzt zu sein scheint. -Man bewirbt sich um
XVerke von ihm und seinen Schülernä), man erbaut ihm von Staatswegen eine
NVerkstatt, die noch zu Pausanias Zeit gezeigt ward 3), seine Nachkommen er-
halten als Ehrenamt die Sorge für die Reinigung des Zeusbildes 4); ihm selbst
aber wird in Olympia gestattet, was ihm in Athen verweigert worden sein soll 5),
nämlich seinen Namen unter das Bild des höchsten Gottes Griechenlands zu
setzen 6). Alles dieses zusammengenommen zeigt uns, dass er mit Ehren
empfangen und ebenso mit Ehren entlassen worden sein muss. Diese Um-
stände aber müssen wir vor Augen behalten, wenn wir die Nachrichten über
die letzte Lebenszeit des Künstlers richtig verstehen wollen.
Es ist uns bestimmt überliefert, dass Phidias zu Athen wegen Unter-
schleifes angeklagt ward, den er sich bei der Verfertigung der Athene Parthenos
habe zu Schulden kommen lassen. Nach einem Auszuge aus Philochorus beim
Scholiasten des Aristophanes 7) könnte es nun scheinen, dass dieser Process vor
die Zeit der Anwesenheit in Elis falle, dass Phidias als Verbannter nach Elis
gekommen sei, und dass sich ein ähnlicher Process in Elis wegen Veruntreuung"
des für das Zeusbild bestimmten Goldes noch einmal wiederholt habe i). Allein
ausser den aus seiner dortigen Stellung hergenommenen Gründen spricht da-
gegen auch die Natur seines attischen Processes 9). Derselbe war fast noch
mehr gegjen Perikles, als gegen Phidias gerichtet. Um das Ansehen des Pe-
rikles zu untergraben und ihn schliesslich selbst zu stürzen, griffen seine Gegner
zunächst die mit ihm engverbundenen Freunde, den Phidias, Anaxagoras, sowie
die Aspasia an. Aber auch das wagte man erst spät, kurz vor dem Beginn
des peloponnesischen Krieges: ja diese Processe werden sogar als der Grund
angeführt, weshalb Perikles den Ausbruch dieses Krieges, den er bis dahin ge-
hemmt, nun beschleunigte. Dies geschah aber nicht sowohl bald nach der Voll-
endung des Parthenos, als nach der Vollendung des Zeus, 01.87, 1. In diesem
Jahre aber scheint Perikles über die sämmtlichen unter seinem Vorstände auf
der Burg ausgeführten Werke Rechenschaft alagelegt zu haben so dass auch
deshalb eine frühere Verhandlung über die Athene nicht wohl angenommen
werden darf.
1) Panaenos war sogar mßveggyoi.ri,u'og (Strabo VIII, p. 354), an dem Contracte betlmi-
ligt, der wegen der Arbeit abgeschlossen ward. Colotes, Phidiae discipuhus et in faciendo
Iove Olympio adiutor: Plin. 35, 54. Alkamenes liefert die Statueir für den hinteren (Hebel
des Tempels: Pans. V, 10, 8. 2) Erwähnt werden zu Elis eine Aphrodite IIrania, von Phi-
dias; ebendaselbt eine Athene von ihm oder Kolotes; zu Kyllene ein Asklepies von Kolotes;
ferner Gemälde des Panaenos zu Elis. 3) V, 15, 1. 4) Pans. V, 14,5. 5) Cic. 'l'use. I, 13.
6) Pans. V, 10, 2. 7) Pac. v. 605. s) Bei Seneca, Controv. VIII, 2 handelt es sich blus
um ein erdichtetes 'l'hen1a zu Redeübilngen. 9) Am ausführlichsten handeln über denselben
Plutarch Per. 31 und Diodor XII, 39 ilgd, der aus Ephorus schöpft. 10) wie Heyne (Ant.
Aufs. I, S. 197) und Sillig (p. 338), wohl mit Grund vermuthen. Valerius Uax. III, 1 ext.
indessen spricht nur von den Propyläen.