Volltext: Die Bildhauer (Bd. 1)

Bildhauer. 
Die Angabe des Plinius: fecisse et cicadae monumentum ac locustae car- 
minibus suis Erinna signiiicat, ist schon von Harduin, Meyer und Sillig beseitigt 
werden; sie beruht auf einer Verwechselung zwischen Jwügonq und dem Frauen- 
namen Mvgcä, wie aus einem Epigramm der Anyte (Anall. I, p. 200, n. 14-) hervor- 
geht, welches von M. Argentarius nachgeahmt worden ist (Anall. II, p. 273, n. 29). 
Bei einer Büste, von Welcher Fea (Misc. I, p. 142), sowie bei der Basis 
einer Statue, von welcher Spon (Misc. p. 126) spricht, ist es nicht nur zweifel- 
haft, 0b der Name des Myron sich auf den berühmten Künstler oder einen 
andern desselben Namens, sondern auch 0b er sich überhaupt auf einen Künstler 
beziehe. 
Ueber den Stoff seiner Werke ist nur noch zu bemerken, dass er sich zu 
seinen Erzbildungen des aeginetischen Erzes bediente, Während sein Mitschüler 
Polyklet das delische vorzog: denn so und nicht umgekehrt glaube ich die 
Worte des Plinius 1) verstehen zu müssen: Bos aereus inde (Aegina) captus 
in foro boario est Bomae. Hoc erit exemplar Aeginetici aeris, Deliaci autem 
Iuppiter in Capitolio in Iovis Tonantis aede. lllo aere Myron usus est, hoc Po- 
lycletus, aequales et condiscipuli. Aemulatio iis et in materia fuit. Leider aber 
wissen wir über den Unterschied dieser beiden Erzarten gar nichts. Holz und 
Marmor scheint Myron nur ganz ausnahmsweise bearbeitet zu haben. 
Blicken wir jetzt auf die grosse Zahl der Werke zurück, von denen uns 
Nachrichten erhalten sind, so liefern uns dieselben zuerst einen Beweis für den 
grossen Ruhm, den sich Myron im Alterthum erworben hatte. Weiter aber zeigt 
sich uns schon durch die Namen der WVerke eine grosse Mannigfaltigkeit in den 
Gegenständen der Darstellung. Indessen umfasst auch Myron nicht den ganzen 
Kreis des Darstellbaren überhaupt, und sehen wir nur etwas genauer zu, so werden 
wir leicht einzelne bestimmte Richtungen in der Auswahl erkennen. Den Frauen- 
bildungen scheint Myron nicht vorzugsweise seine Aufmerksamkeit zugewendet 
zu haben: bei der trunkenen Alten handelte es sich wenigstens nicht um Frauen- 
schönheit; das Holzbild der Hekate war gewiss, dem Stoffe entsprechend, mehr 
ein Tempelbild in alterthümlich-typischer Weise; bei der Nike auf dem jungen 
Stiere mag das grössere Verdienst in der Bildung des Thieres gelegen haben; 
Athene endlich, die er zweimal, aber in Verbindung mit andern Figuren dar- 
stellte, gehört wenigstens nicht zu seinen besonders berühmten Werken. Auch 
bei den männlichen Gestalten deutet nichts auf ein Vorwiegen jugendlich schöner, 
mehr zarter und weicher Bildungen; und dass ihm, wie Schorn?) meint, in 
seinem Dionysos "der Charakter des schwelgxanden Sinnenlebens, wo Geist und 
Seele sich nur betäubt und verschwommen in höchster Sinnenlust offenbart", 
gelungen sei, muss schon um deswillen bezweifelt werden, weil diese Schilde- 
rung nur auf eine Darstellung des jugendlichen Gottes anwendbar ist, wie sie 
erst nach der Zeit des Myron durch Praxiteles ihre Ausbildung erhielt. Bei 
den Apollobildern dieser Epoche ist gleichfalls die strengere, mehr mannhafte 
Auffassung die überwiegende. Noch mehr aber lenken die kräftigen Heroen- 
gestalten eines Herakles und Perseus unsere Aufmerksamkeit auf den Ruhm, 
den sich Myron in athletischen Darstellungen erwarb. Mit besonderem Glanze 
Studien
	        
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