Die
Bildhauer
Glieder: sie entstehe, wenn diese Glieder zu einander stimmen, die Höhe zur
Breite, die Breite zur Länge, und im Ganzen alles seinen eigenen Maassverhölt-
nissen (symmetriae) entspreche. Symmetrie ist ihm dagegen der aus den Gliedern
des YVerkes selbst hervorgehende harmonische Einklang, sowie diejenigelRichtig-
keit jedes betreffenden Theiles, welche auf dem Verhältnisse der getrennten
Theile zur Erscheinung der gesamm ten Figur beruht. So werde der mensch-
liche Körper symmetrisch, wenn man alle Maasse nach denen eines Theiles, der
Hand, des Armes, des Fusses, bestimme. Nach dieser freilich nicht besonders
klaren Definition kann es zwar scheinen, dass Eurythmie nichts sei, als eine
Symmetrie innerhalb der engen Grenzen eines einzelnen Theiles, zum Unterschiede
von der Symmetrie aller Theile unter einander. Bei näherer Betrachtung müssen
wir jedoch das Wesen der Vitruvischen Definition nicht in den Begriffen des
Theiles und des Ganzen suchen, sondern vielmehr in dem Gegensatz der venusta
species, des commodus adspectus, des Anmuthigen, Gefälligen, und des responsus,
des strengen Entsprechens zwischen einem Theile und dem andern, welches
eine feste Regel voraussetzt. Dies geht namentlich aus einer zweiten Stelle 1)
hervor, in welcher es sich um die praktische Anwendung dieser Begriffe handelt.
Dort heisst es: der Künstler solle bei einem Werke zuerst die symmetrischen
Verhältnisse festsetzen, sodann aber seinen Scharfblick auf die Ortsbeschaffen-
heit, den Gebrauch, die aussere Erscheinung richten und danach an der Symmetrie
hie und da ändern, etwas zusetzen oder wegnehmen; er solle die Proportionen
ad decorem, mit Rücksicht auf Angemessenheit zuschneiden, so dass dem Be-
schauer an der Eurythmie kein Zweifel bleibe. Die Symmetrie, wie in der Kunst
der Rede das Metrum, bestimmt also das Verhältniss der Theile in festen Maassen
138 und Zahlen; sie ist demnach ein mathematisches, strenges Princip. Rhythmus
und Eurythmie dagegen vermögen nicht allgemein gültige Regeln zu geben,
sondern beruhen auf der Beobachtung des Angemessenen und Gefälligen, nicht
weniger an der Gesammterscheinung künstlerischer Gestaltungen, als an deren
einzelnen Theilen. Sehen wir von künstlerischer Schönheit ganz ab, so kann
mitunter der Begriff des sügvdnov sogar vollkommen mit dem des äigiaorror,
des Anpassenden, zusammentreffen und sich z. B. auf einen Panzer anwenden
lassen, der dem Krieger, für welchen er bestimmt ist, gut sitztz). Höhere Be-
deutung erlangt dagegen die Eurythmie, sofern sie mit der Symmetrie in Ver-
bindung tritt: denn in diesem Verhältnisse ist sie das vermittelnde Princip, be-
stimmt, die Schärfen und Härten zu mildern, welche die Anwendung jenes mathe-
matischen Gesetzes namentlich auf organische Gestalten erzeugen muss.
Nach dieser Abschweifung kehren wir wieder zu Pythagores zurück. Um
sein Verdienst richtig zu beurtheilen, halten wir uns streng an die Worte des
Diogenes, dass er zuerst Rhythmus und Symmetrie erstrebt habe. Denn soweit
war die Kunst damals schwerlich schon vorgeschritten, dass wir dem Pythagoras
eine bestimmte Proportionslehre zuschreiben dürften, welche aus der Beobach-
tung vieler einzelnen Fälle die Regel abstrahirt, sie als festen Kanon hinstellt
und nach einem solchen Kanon die Kunstwerke gewissermaassen construirt.
Sein Verdienst wird mehr ein praktisches in der Weise gewesen sein, dass er
Xenoph.
Mel
sqq-