neitung und Streben nach freier Entwickelung,
von O1.
mit ovyiierpiczg äÜ-TÜXÜIÜÜÜL- Damit sind unsere Nachrichten über Pythagoras
erschöpft, und unsere Aufgabe ist jetzt, zu untersuchen, was sie uns lehren.
Vergleichen wir ganz einfach die Gegenstände seiner Werke mit denen
seines Zeitgenossen Kalamis, so bemerken wir zuerst, dass der Kreis derselben
bei Pythagoras weit enger gezogen war. Mit Ausnahme der Europa werden
nur Männergestalten von ihm angeführt. Unter diesen treten wiederum die
Götter gegen die Heroen, diese gegen die athletischen Siegerstatuen in den
Hintergrund. Aber auch die Heroengestalten unterscheiden sich wesentlich von
(len Bildern, die wir in der eben abgeschlossenen Periode betrachtet haben. 136
Denn dort begegneten wir fast ausschliesslich den Stammesheroen in ihrer Geltung
als Halbgöttern. Des Pythagoras Eteokles und Polyneikes bilden eine Gruppe
in lebendigster Handlung; sein Philoktet ist eine an das Pathetische streifende
Figur. Selbst sein Apollo, welcher den Drachen erlegt, scheint nicht mehr Tempel-
bild im früheren strengen Sinne zu sein, nicht mehr der Gott, der einzig die
Huldigungen der Sterblichen entgegennimmt, sondern selbst handelnd. Um so
Viel mehr werden wir in den athletischen Siegerstatuen des Künstlers das Streben
nach Leben und Bewegung voraussetzen dürfen. Allein wir würden dennoch
ausser Stande sein, das eigenthümliche Verdienst des Künstlers näher zu be-
stimmen, wenn uns nicht. die Winke des Plinius und Diogenes Laertius zu
Hülfe kämen, die nach zwei verschiedenen Richtungen hin Licht geben, aber
doch schliesslich in einer und derselben Grundanschauung des Künstlers ihre
Erklärung finden. Die Angabe des Plinius bezieht sich auf die Bildung einzelner
Theile; das Urtheil des Diogenes betrifft die Behandlung der Figuren im Ganzen.
Die Ausdrücke, deren er sich dabei bedient, werden uns aber im Laufe dieser
Untersuchungen noch oftmals begegnen, theils in Verbindung, theils im Gegen-
satz mit andern Begriffen, welche nach gewöhnlichem Sprachgebrauche kaum
einen merklichen Unterschied zu bedingen scheinen. Aus diesem Grunde wird
es von wesentlichem Nutzen sein, wenn wir schon hier bei ihrem ersten Er-
scheinen das eigentliche Wesen dieser Begriffe in rnöglichster Schärfe festzu-
stellen versuchen.
In der Kunst der Rede ist Rhythmus eine Aufeinanderfolge von Zeitabthei-
lungen, von Längen und Kürzen, welche durch das Mittel der Sprache zur
Erscheinung kommen. Diese Aufeinanderfolge ist zwar keine nothwendige; aber
die passende Verknüpfung der Glieder bewirkt einen bestimmten YVohllaut.
Dagegen kommt im Metrum das streng mathemathische Gesetz zur Geltung.
Einzelne rhythmische Glieder treten in eine feste gesetzmässige Verknüpfung.
In dieser Beziehung steht also der Rhythmus als das minder Gesetzmässige unter
dem Metrum. Andererseits ist er jedoch wieder das Höhere, insofern er durch
freiere Bewegung der Strenge des Gesetzes im Metrum seine Härte nimmt und
ihm den Ausdruck der Leichtigkeit oder Kraft, der Milde oder Strenge u. s. w. 15-37
verleiht. Ganz entsprechend ist das Verhältniss dieser beiden Begriffe in der
bildenden Kunst, nur mit dem Unterschiede, dass an die Stelle der Abtheilungen
der Zeit die des Raumes treten. Vitruv 1) deünirt uns Eurythmie als anmuthige
Erscheinung und gefälliges Aussehen in der Zusammenstellung der einzelnen
1) I, 2.
Brunn, Geschichte der griechischen Künstler.