LEBEN DES MICHEL ANGELO
BUONARROTI.
sondern hat gleicherweise alles das wissen wollen, was zu dieser
Profession irgendwie dienlich ist, wie z. B. Seilemachen, Gerüste
oder Decken aufschlagen und ähnliche Dinge, worin er so
geschickt war, wie Jene, die keine andere Profession haben,
welches zur Zeit Julius' II. bei folgender Gelegenheit ersichtlich
wurde. Als Michel Angelo die Wölbung der Capelle des Sixtus
ausmalen wollte, befahl der Papst dem Bramante, er solle das
Gerüst machen. Dieser, mit alledem, dass er der Baumeister
war, der er war, wusste nicht, wie er es machen sollte, und
durchlöcherte die Wölbung an mehreren Stellen, um durch die
Löcher Seile herunterzulassen, die das Gerüste halten sollten.
Wie Michel Angelo dies sah, lachte er darüber -und frug den
Bramante, wie er es zu machen hätte, wenn er bei den Löchern
Würde angelangt sein. Bramante, der keine Rechtfertigung
wusste, antwortete bloss, dass man es nicht anders machen
könne. Die Sache kam vor den Papst, und da Bramante das-
selbe erwiderte, wandte der Papst sich zum Michel Angelo
und sagte: „Da dies nichts taugt, so geh' und mach" es selber."
Michel Angelo riss das Gerüst nieder und nahm die Seile
heraus, die er einem seiner Arbeiter, einem armen Manne
gab, wodurch er Ursache war, dass dieser zwei seiner Töchter
verheiratete. Dann baute er ohne Stricke das seinige auf, das
so gut verschränkt und zusammengesetzt war, dass es immer
um desto fester hielt, je mehr es belastet wurde. Das war die
Veranlassung dazu, dass dem B_ramante die Augen aufgingen
und dass er ein Gerüst aufschlagen lernte, was ihm dann beim
Baue von Sanct Peter sehr zu Statten kam. Und trotz alledem,
obwohl Michel Angelo in derlei Dingen nicht Seinesgleicluen hatte,
so wollte er nichtsdestoweniger von der Baukunst niemals Profes-
sion machen. Im Gegentheile, als letzthin Anton von San Gallol
1Es gab zwei Antonio da San Gallo (di Bartolomeo d" Antonio,
di Bartolonueo Picconi), geb. 14.85, starb 1546, und Antonio da San Gallo
(di Francesco di Bartolo di Stefano Giamberti), geb. r455, gest. 1534 am
27. Dccember. Hier ist der Erstgenannte gemeint, dessen Leben mit der
Regierung des Papstes Paui III. (1538-1549) zusammenfäilt.
Das hier erwähnte Breve des Papstes Paul III. veröffentlicht Bonnani
in seiner J-Iistbria templi Vaticani" (Romae 1696, FoL, pag. 77), ferner
erwähnt die von Condivi angeführten Daten auch Vasari (XII, pag. 226-227).