LEBEN
DES MICHEI.
ANGELO BUONARROTI.
Christus, der in der Minerva ist; einen hcil. Matthäus in Florenz,
den er begann, da er die 12 Apostel machen wollte, die auf die
12 Pfeiler der Domkirche kommen sollten, dazu Cartons zu
verschiedenen Werken der Malerei, Entwürfe zu öffentlichen und
Privat-Gebäuden, unendlich viele, und schliesslich auch zu einer
Brücke, die über den grossen Canal in Venedig führensollte,
von neuer und niegesehener Gestalt und Art, und viele andere
Dinge, die nicht zu sehen sind und von denen man lange
schreiben könnte, wesshalb ich hier ein Ende damit mache. Er
beabsichtigt, diese Pieta' irgend einer Kirche zu schenken und
am Fusse des Altars, wo sie angebracht wird, sich begraben zu
lassen. Unser Herrgott in seiner Gnade möge ihn uns noch lange
erhalten, sintemal ich nicht zweifle, dass derselbige Tag zugleich
das Ende seines Lebens und seiner Arbeit sein wird, wie man
dies von lsokrates schreibt. Dass er noch viele Jahre zu leben
hat, dazu gibt mir sichere Hoffnung sowohl sein lebensvolles
und rüstiges Alter, wie auch das lange Leben seines Vaters,
welcher, ohne zu wissen, was ein Fieber sei, es auf 92 Jahre
brachte und mehr durch seinen Entschluss starb als durch
Krankheit, in der Art, dass er als Todter, wie es Michel Angelo
berichtet, dieselbe Gesichtsfarbe behielt, die er als Lebender
hatte und mehr eingeschlafen als todt zu sein schien.
LVl. Es ist Michel Angeln von Kindheit auf ein Mann
von vieler Arbeit gewesen und hat zur Gabe der Natur die
Wissenschaft beigefügt, die er nicht durch die Mühe und
Anstrengung Anderer erlernen wollte, sondern von der Natur
selbst, die er sich als das wahre Muster vorsetzte. Dieserthalben
gibt es kein Thier, dessen Zergliedertmg er nicht vorgenommen
hätte, und an dem Menschen so viele, dass Jene, die ihr ganzes
Leben dabei verbracht und Profession davon gemacht, kaum so
viel davon wissen; ich spreche von der Kenntniss, die zur Kunst
der Malerei und Sculptur nothwendig ist, nicht von den anderen
1 Hier ist oifenbar eine Lücke in dem Texte des Condivi. Er schreibt:
"Fa disegno di clonar questa Pietä" erwähnt aber vorher keine Pictä.
Vasari (pag. 24g) erwäihnt eine Iklcincre Pietii, von der man nicht wciss,
was aus ihr geworden. Dass-Michcl Angclo sich mit dem Gedanken bu-
schäftigt hat, seine Grabstättc mit einer Pietä in Verbindung zu bringen,
erzählt Condivi; es ist dies auch recht glaublich.